Donnerstag, 10. Oktober 2019

Wer bin ich und wenn ja, wie divers?




In Ordnung. Dann werden wir die Toilettenschilder im Studio nochmals verändern. Künftig wird es nicht mehr die Beschriftung „Sporty Men“ und „Sporty Women“ geben, sondern ganz langweilig „Toilette“ und „Privat“. Wobei „Privat“ auch allen Personen offensteht, die unser Studio besuchen.

An dieser Stelle ärgere ich mich gerade, dass wir so ganz ohne Vertragsbindung arbeiten. Hätten wir Verträge, dann hätten wir auch Mitglieder und hier gibt es – soweit ich weiß – keine Mitglieder und Mitgliederinnen, oder doch? Wobei sich hier die Frage stellt, ob allein das Wort „Mit Glied (er)“ vielleicht in Zukunft gar nicht mehr benutzt werden darf, weil es per se ja schon geschlechtsdiskriminierend ist?

Komplizierte Toilettenbeschriftung

Zurück zur Toilettenbeschriftung: Es war den Menschen, die in unser Studio kamen bisher auch herzlich egal, was auf der Toilette stand, Hauptsache sie ist sauber. Benutzt wurde die Toilette, die gerade frei ist, so einfach war das. (Und so wird es hoffentlich auch in Zukunft bleiben. Für die Sauberkeit sorge ich, für den unkomplizierten Umgang die Personen, die zu uns ins Studio kommen.)

Wir bieten Sportkurse für Menschen an! Nicht für Tiere, nicht für Aliens – für Menschen. Tatsächlich stellt das manche interessierte Person vor ein Dilemma. Bei einem Telefonat vor ein paar Wochen fragte eine Person (das ist neutral oder? Also Person ist m/w/d?), ob wir reine Frauenkurse hätten? Ich verneinte. Sie stellte die Frage erneut, als ob sie der Meinung wäre, man/frau/divers hätte sie nicht richtig verstanden. Wieder war die Antwort gleichlautend: Wir würden Sportkurse für Menschen anbieten. Sie (die Person) entgegnete darauf, dass sie sich aber wohler fühlen würde, wenn es nur Frauen wären. Ich entgegnete darauf, dass sie dann generell ein Problem haben würde, denn Pilates (um diesen Kurs ging es ihr (der Person)) würde ein männlicher Trainer unterrichten (hier darf ich das Geschlecht nennen, denn es handelt sich um meinen Mann, er ist – soweit ich das weiß und beurteilen kann – männlich. ABER: Darf ich überhaupt „mein Mann“ sagen, oder ist das zu besitzergreifend? Muss es in Zukunft vielleicht heißen: Die Person, die für sich selbst die Geschlechtsbezeichnung „männlich“ bevorzugt und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit mir lebt?).

Herr, Frau oder Du?

In meiner Tätigkeit als Trainerin/ Beraterin und Coach für Rebel-Management-Training leite ich auch Seminare. Hier muss ich die anwesenden Personen ab und an sogar ansprechen. Ich habe mich hier bisher immer vor einer „Du-Pflicht“ gedrückt, also die Personen, die anwesend waren auch mit „Herr“ oder „Frau“ angesprochen. In Zukunft werde ich zum französischen „Du“ übergehen: Vorname plus „Sie“. So ist jedem gedient. Kein „Frau“, kein „Herr“ und dennoch das „Sie“, welches für mich nie für „Distanz“ sondern für „Höflichkeit und Respekt“ stand und stehen wird.

Führungskräftinnen, Mitgliederinnen, Vorgesetzinnen?

Selbstverständlichkeiten setzen Selbstverständnis voraus. Je mehr man auf etwas pocht, es in den Vordergrund stellen muss, sich auf diesen Punkt bezieht, desto eher wird der Umgang damit „verkrampft“. Das war schon mit der gendergerechten Sprache (Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Mitglieder und Mitgliederinnen, Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Vorgesetzte und Vorgesetztinnen, Führungskräfte und Führungskräftinnen) so, das ist es auch mit dem Wort divers.
Ein Mensch, der sich selbst versteht, versteht es auch, das Bild von sich zu entwerfen, welches die Gesellschaft wahrnehmen soll. Meistens. Und wenn nicht, dann muss man damit auch umgehen können.

Gedemütigt und diskriminiert

Ich darf das sagen, denn ich bin in den letzten 23 Jahren so oft auf meine „Kurze Haarpracht“ angesprochen worden, so oft als Transvestit betitelt worden, so oft für lesbisch gehalten worden (da hilft es auch nichts zu erklären, dass man glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat), so oft als Mann bezeichnet worden, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als das mit Humor zu nehmen.
Zugegeben: Das gelingt mir nicht immer. Es gibt genug Situationen, wo es schmerzt, wo es weh tut, wo ich mich gekränkt und vielleicht auch ein wenig gedemütigt fühle, aber es deswegen habe ich immer noch nicht das Recht von der Gesellschaft eine komplette Umwandlung zu verlangen. Es waren einzelne Individuen, die nicht anwesend waren, als Anstand, Respekt, Wertschätzung und Taktgefühl durchgenommen wurde, nicht die Gesellschaft an sich.

Herzlich Willkommen

Bei uns sind Menschen herzlich willkommen. Wer sich nicht mehr menschlich benimmt, ist auch nicht willkommen. Tiere mögen wir auch, die haben nur leider im Studio keinen Zutritt.

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