Sonntag, 27. Oktober 2019

"Wie früher..."


Das höre ich oft, wenn Personen das erste Mal im Luftring (Aerial Hoop) sind. Die Erinnerung an die unbeschwerten Schaukelmomente der Kindheit werden wach, mit ihnen zeigt sich nahezu gleichzeitig ein fast beseelter und glücklicher Gesichtsausdruck.

„Wie früher.“ Das höre ich aber auch oft im Pole-Unterricht, wenn es an das erste Klettern geht. Da werden die Erinnerungen an den Schulsport, das vermeintliche Versagen, wenn es darum ging, die Kletterstangen oder Seile zu erklimmen, wieder lebendig (Anmerkung: Das kann ich gut nachvollziehen, hier habe ich immer die Note 6 kassiert und mich bis auf die Knochen blamiert). Umso stolzer ist dann der Gesichtsausdruck, wenn das Klettern auf einmal klappt und man den Boden verlässt, in luftige Höhen aufsteigt (es braucht halt jemanden, der einem die richtige Technik erklärt).

„Ich kann nicht.“ – Das wiederum ist häufig die Aussage, wenn es darum geht, die erlernten Tricks und Elemente tänzerisch und fließend miteinander zu verbinden (im Pole- und auch im Hoop-Kurs, sogar manchmal im Yoga, wenn es um einen Flow geht). Hakt man ein wenig nach und stellt die Frage, ob die Personen meinen, nicht tanzen zu können oder ob sie nicht tanzen wollen, so hört man fast mit leichter Entrüstung die Antwort: „Ich KANN nicht tanzen, wollen würde ich schon.“

„Wie früher“ und „Ich kann nicht.“

Diese Aussagen haben mich schon immer ins Grübeln gebracht, vor allem, weil ich sie aus meiner Erinnerung so gut nachvollziehen kann. Stundenlang konnte ich auf der Schaukel verbringen. So lange, bis ich fast meine Hände nicht mehr von den Seilen lösen konnte und so nachhaltig, dass ich auch abends im Bett noch das Gefühl hatte, zu schaukeln.
Ich war der Welt entrückt, dem Himmel so nah und alles war leicht.

Ebenso habe ich aber, wie bereits oben beschrieben, das Stangenklettern in der Schule gehasst und kam mir vor wie der schwerste Elefant der Welt, der gerade am kleinsten Grashalm elegant nach oben kommen soll. Scham, Demütigung und ganz ganz viel Ohnmacht begleiteten diese Situationen.

Tanzen? Wundervoll. Als die Klasse einen Tanzkurs gemacht hat, war ich im Schwimmtraining. Ich habe nie gelernt zu tanzen und fand es dennoch immer schön. Tanz ist für mich ein Einblick in die Seele der tanzenden Personen, dazu muss die Seele natürlich so schön sein wie das Äußere, das die schönen Tänzer und Tänzerinnen darstellen. Da hatten wir dann schon Problem Nummer 1: Denn wenn man von sich das Bild eines „clumsy elefant“ hat, sich eher lächerlich als grazil vorkommt, dann wird es schwer, das richtige Bild zu malen, die richtigen Bewegungen zu finden. Noch bevor man eine Bewegung im Kopf zu Ende gedacht hat, bügelt man sie nieder: „Sieht sowieso doof aus. Ich kann das nicht, das sieht lächerlich aus.“

Warum beseelt uns Schaukeln, macht uns Klettern Angst und woher kommt der Wunsch zu tanzen, den man so selten verwirklicht? Und macht vielleicht genau die Mixtur dieser 3 Bereiche unter anderem auch den Reiz am Polesport und Aerial Hoop Training aus?

Ein bisschen was war noch vom Studium übrig. Im Kopf schwirrten Reste der Vorlesungen zu frühkindlicher emotionaler Entwicklung, zum Hospitalismus, der seines Zeichens durch Schaukelbewegungen der Patienten (unter anderem) gekennzeichnet ist. Genug, um hier anzusetzen?
Schaukeln stellt eine Form der basalen Stimulation dar, ist somit eine Form der körperbezogenen Kommunikation. Wir reden mit uns, nicht nur im Kopf, sondern ganzheitlich, mit dem Körper. Wiegen und Schaukeln tun dem Menschen gut.


Bring dein Leben kontrolliert aus dem Gleichgewicht und Du stehst sicherer!

Heute findet diese basale Stimulation auch in Altenheimen wieder Anwendung und geht auf einen Ansatz von Prof. Andreas B. Fröhlich zurück, der 1975 ein Konzept entwickelte, dessen Ziel es war, körperlich und geistig benachteiligte Kinder zu fördern. Dieses Konzept übertrug Prof. Christel Birnstein (Universität Witten/Herdecke) in den Bereich der Pflege von alten Menschen, die ihrerseits mit Beeinträchtigungen zu kämpfen haben.

Vereinfacht zusammengefasst kann man sagen, alles, was das Gleichgewichtsorgan, die Gleichgewichtswahrnehmung fördert und fordert, tut uns gut. Sich selbst in veränderten Positionen im Raum wahrnehmen, kann glücklich machen und beruhigen. Die sogenannten „vestibulären Anregungen“ stabilisieren dabei die Haltung des Menschen und normalisieren seinen Muskeltonus, so stellt sich bei vielen ein allgemeines und tiefes Wohlbefinden ein, so dass sogar Schmerzmedikamente überflüssig werden können und Menschen wieder sicherer auf den Beinen sind(amerikanische Studie der Universität Rochester bei Bewohnern eines Altenpflegeheims).
(Wer hier mehr dazu lesen möchte: https://www.welt.de/print/die_welt/wissen/article13832445/Schaukeln-ist-Magie-und-Medizin.html)

Ja, das bestätigt auch die Wichtigkeit und Notwendigkeit des sogenannten Propriozeptionstrainings (Schulung der Körperwahrnehmung), welches ein elementarer Bestandteil der Ausbildung zum medizinischen Fitnesstrainer darstellte. Sich selbst wahrnehmen und diese Wahrnehmung körperlich aktiv steuern können, das gehört unter anderem zur Kapitel der Sturzprophylaxe.

Ungewollte Bodenhaftung

So sehr uns Schaukeln beseelt, so häufig sind auch die demütigenden Erfahrungen mit dem Klettern. Dabei hat auch das Klettern therapeutische Wirkung. Klettern wird heute in einigen Therapien als eine von zahlreichen körperorientierten Methoden angewendet. Wir bieten es im Rahmen des „Embodiment – Acrobatic Therapy“ als Coachingmethode an.
Um die Menschen, die zu uns kommen, zu demütigen? Mitnichten. Wir zeigen, dass man mit der richtigen Technik über sich selbst hinauswachsen, Ängste überwinden und Leidenszustände lindern kann.

Das Klettern, die Höhe und vor allem das unsichere Turngerät können hier stellvertretend für die äußeren Gegebenheiten und die Unabwägbarkeiten des Lebens stehen. Dünn, wacklig, wenig Halt, rutschig und unten gähnt der Boden wie ein Schlund der mich verschlingen möchte. Wirklich verlockende Aussichten! Wenn man lernt, die richtige Technik einzusetzen, sich zu vertrauen und Kräfte dosiert einzusetzen, dann merkt man, dass man auch davor gar nicht mehr so viel Angst haben muss und wächst buchstäblich über sich hinaus.

Erwiesen ist, dass Klettern auf diesem Weg das Selbstvertrauen, die Kommunikation, das Körpergefühl, die Wahrnehmung von Emotionen verbessern kann und so ganz nebenbei ein super Muskeltraining darstellt, welches auch noch den Kopf fordert und so ein ganzheitliches Zusammenspiel der Sinne offeriert.

Tanz! Es muss auch nicht dein Name sein.

Fehlt uns noch der Blick auf das Element des Tanzes. Die Erfahrung zeigt uns, dass Kinder tanzen bevor sie laufen können. Fast instinktiv beginnen sie früher oder später, sich rhythmisch (mehr oder weniger geschickt, aber immer mit vollem Selbstverständnis) zur Musik zu bewegen. Jeder von uns hat das schon einmal beobachten können. Altersübergreifend vom Baby bis zum Kleinkind, in allen Ethnien und Nationen. Doch irgendwann hört es auf. Warum?

Vielleicht, weil jemand gelacht hat? Vielleicht, weil mich jemand ausgelacht hat? Wäre Tanz nur Bewegung, so wäre das doch nicht so schlimm, oder? Wenn Tanz aber ein geöffnetes Fenster zum emotionalen Seelenleben darstellt und somit auch einen Grad der Verletzlichkeit, so ist Lachen eine Waffe, die in diesem Moment gegen mich gerichtet wird. Das verunsichert oder tut weh. Im Zuge des Vermeidungsverhaltens hört man dann auf zu tanzen.

(Auch hier habe ich mehrere interessante Ansätze gefunden, einen Artikel kann man hier nachlesen: https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/wie-tanzen-als-medizin-wirkt-und-gluecklich-macht-a-881579.html)
In diesem Artikel beschreibt Gunter Kreutz (Universität Oldenburg), dass Tanzen entspannt und gegen Krankheiten helfen kann. Er spricht davon, dass Tanz Leben ist und sich langfristig keine Herrschaft durchsetzen konnte, die Tanz und Musik verboten hatte.

Tanz vereint die Geschlechter, ganz gleich wie viele es sein mögen. Tanz ist Körperlichkeit und kann nur mit dem Ausleben dieser vonstatten gehen, setzt also Offenheit, Selbstvertrauen und Kenntnis des eigenen Körpers voraus, verbessert diese Verhaltensweisen aber gleichermaßen auch. Studien weisen nach, dass während des Tanzens die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Speichel sinkt. Das funktioniert ohne Musik und Tanz nicht.

Folgt man den Ausführungen von Kreutz weiter, so kann man nachlesen, dass Tanzen das Demenzrisiko um 76% reduziert (persönliche Anmerkung (schmunzelnd): Warum kann ich mir dann nie eine Choreo merken?.) Tanzen beansprucht so viel der Hirnkapazität, dass es nach Kreutz Motorik, Aufmerksamkeit, Langzeitgedächtnis und Kurzzeitgedächtnis beansprucht und somit trainiert.

Tanzen heilt

Eine Studie zeigte (so Kreutz), dass Tanzen auch bei multipler Sklerose helfen kann und führt hier eine Patientin an, die nach 5-monatiger Tanztherapie gänzlich auf eine ihrer 2 Gehhilfen verzichten konnte. Bei Parkinson wird eine Verbesserung der Mobilität erreicht. Auf die Frage, wie das gehen könne, bestätigt Kreutz die in mir schlummernde (nicht wissenschaftliche) Vermutung, dass das über die Psyche vonstatten ginge. Menschen distanzieren sich von ihrem „Ich fühle mich mies-Ich“ und entfliehen in andere Welten. Durch Musik und rhythmische Bewegungen. Das tut gut und wenn keiner lacht, dann fühlt man sich frei.

Kleine Oasen und geschützte Räume

Und so vereinen wir vieles, was wir brauchen durch Tanz und Akrobatik, Yoga und Bewegung. Ohne es vielleicht vorher gewusst zu haben, dienen diese Auszeiten nicht nur dem Training der Muskulatur, sondern auch der Reinigung der Seele.

Vielleicht liegt daran der Reiz von Poledance, Aerial Hoop und der nicht endend wollende Erfolgsweg von Yoga. Ohne diese Elemente fehlt uns etwas und wo kann man denn sonst als Erwachsener schon schaukeln (außer man fährt nach Montreal, das gibt es Bushaltestellen mit Schaukeln)?
(Mehr zum Ansatz des „Embodiments – acrobatic therapy“ findet man hier: https://www.rebel-management-training.de/einzelcoaching-und-beratung

Freitag, 25. Oktober 2019

Beachtung, Achtsamkeit und die Tequila-Seite


Zugegeben, zunächst wollte ich den heutigen Blogbeitrag mit „Ignoranz und Missachtung“ betiteln. In Bezug auf die Sprachhygiene und weil es immer besser ist, das Positive zu sehen, habe ich dann die gegenteiligen Begriffe gewählt. Um die lesenden Personen in die Irre zu führen, weil ich jetzt doch über Ignoranz und Missachtung schimpfen will? Ja, es wird auch über diese beiden Begriffe gehen, doch eben auch über die Wirksamkeit einer echten Sprachhygiene.

Blödsinniges Geschwafel?


Im Training versuchen wir (muskuläre) Dysbalancen zu vermeiden indem wir immer beide Seiten trainieren. Jeder Mensch kennt die dominante und die weniger gute Seite. Schnell sprechen wir dann auch von der „guten“ und der „schlechten“ Seite. Doch wenn wir über einen Sachverhalt/ einen Menschen/ eine Situation immer schlecht reden, so wird es uns schwerfallen, uns mit diesem Sachverhalt/ dieser Person/ dieser Situation in wohlwollender Weise auseinanderzusetzen, ja auch nur Zeit damit zu „vergeuden“. Warum soll ich mich um etwas kümmern, von dem ich schon von Vornherein der Meinung bin, dass es schlecht ist?

Da unsere Haltungen unsere Gedanken prägen, unsere Gedanken wiederum unser Handeln und unsere Motivation, vermeiden wir den Begriff „schlechte Seite“. Es gibt die eine und die andere Seite oder auch die Schokoladen- und Tequila-Seite.

Tequila-Seite?


Ja. Die Schokoladenseite ist die eine (die Gute – pssst!) – die Tequila-Seite ist die andere Seite, die man auch als Zitronenseite bezeichnen kann (man verzieht das Gesicht, wenn man sie trainieren soll). Da man für einen Tequila aber auch Zitronen braucht und der manchmal auch ganz lecker sein kann, nennen wir die „andere“ Seite Tequila-Seite.

Achtsamkeit, Beachtung und der Zeitfaktor


Was wir nicht brauchen, was uns keinen Vorteil verschafft, Dinge, die uns schwerfallen, denen schenken wir selten Beachtung und investieren auch keine Zeit in diese. In Zeiten in denen man mit Informationen überflutet wird, kann man dieses rigorose Vorgehen auch gut nachvollziehen.
Kann man im Sport damit argumentieren, dass ein ausbalanciertes Training wichtig ist, um Fehlhaltungen und Dysbalancen vorzubeugen, so fällt uns im Business-Zwischenmenschlichen-Bereich nicht so schnell ein Argument ein.

Eliminiere, was Du nicht brauchst.


Richtig. Ballast entfernen, sich von dem trennen, was einem nicht nützt, was man nicht verfolgen will, was für einen selbst keinen Wert hat. Das ist auch mit Kontakten so und muss nicht immer etwas mit Ablehnung zu tun haben.
Ein Mindestmaß an Beachtung und Achtsamkeit (Respekt, Anstand) sollte aber auch hier vorhanden sein.
Zugegeben, ich hasse es, wenn man einfach ignoriert wird. Nicht jedes Angebot ist für jeden wichtig, aber eine kurze Rückmeldung, dafür sollte Zeit sein.

Seltsame Blüten


Sonst bringt vor allem der Umgang mit sozialen Medien seltsame Blüten hervor. Da werden Freundschaftsanfragen gestellt (von vollkommen unbekannten Personen) und auf die Frage, wo denn die Gemeinsamkeiten liegen würden, bzw. dass man private Kontakte nur bestätigen würde, wenn man die Person auch kennen würde, wenn es sich allerdings um Geschäftliches handeln würde, der Person vorschlage, den Seiten zu folgen, mit „Fuck you“ geantwortet.
Da werden Freundschaftsanfragen von Personen gestellt, die man tatsächlich persönlich kennengelernt hat und die man dann auch bestätigt. Prima! Danach wird man ignoriert. Keine einzige Frage wird beantwortet, wohl aber wird man mit Wahlkampfwerbung behelligt.

Privat und Geschäftlich


Für die Ausgeglichenheit im Umgang auch mit sozialen Medien hilft es manchmal sich an Telefonbücher zu erinnern.
Ja, da steht die Person X, die ihres Zeichens ein „hohes Tier“ bei einer großen Firma ist, zu der man gerne Kontakt haben würde, vielleicht auch mit der privaten Telefonnummer im Telefonbuch (stand). Dennoch würde man sie wohl kaum zu Hause anrufen, um dann in den Hörer das Wort „Freundschaft?“ zu säuseln und auf Nachfragen einfach zu schweigen, oder?

Wir wollen Beachtung, uns selbst verwirklichen, Likes generieren, Followerzahlen ansteigen lassen und sehen dies alles als Währung unserer persönlichen Bedeutung?
Vergessen wir dabei nicht die „andere“ Seite, auch dieser Seite, die wir vielleicht gar nicht so mögen, zumindest hin und wieder Beachtung zu schenken, damit wir keine Dysbalancen entwickeln.

Freitag, 18. Oktober 2019

Yoga und was man in den Berufsalltag mitnehmen kann


Zu Beginn einer neuen Herausforderung kann es durchaus sein, dass man sich in diese stürzt und ohne viel Nachdenken loslegt. Das muss nicht immer das Schlechteste sein. In vielen Fällen, gerade auch wenn es um berufliche Projekte geht, nimmt man sich allerdings Zeit (oder sollte sie sich nehmen) und betrachtet das neue Thema, beleuchtet es von allen Seiten, analysiert es und überlegt sich, wie sich das Thema darstellt und wie man am besten mit diesem umgeht.

Danach stellt man, wann immer möglich, die notwendigen Ressourcen bereit, um ausreichend Energie für die Projektbearbeitung zur Verfügung zu haben.
Man bereitet alles vor, stellt das richtige Team zusammen und beginnt zu arbeiten.
Viele Projekte stellen unterschiedliche Anforderungen, manche Teilschritte gehen leichter von der Hand, andere benötigen mehr Ruhe, wieder andere erfordern absoluten Krafteinsatz – aber alle Teilschritte sind notwendig.

Und am Ende hofft man, dass man das Projekt erfolgreich abschließt, das Thema in guter Art und Weise bearbeitet hat. Prima. Und auf geht’s zum nächsten Projekt.

Projektarbeit und Yoga im Vergleich

Im Grunde gleicht der Umgang mit Projekten (im beruflichen Alltag) somit fast dem Aufbau einer klassischen Yoga-Stunde.

Klassisch beginnt man hier mit der Anfangsentspannung: Man kommt an und zur Ruhe, man stellt sich auf das Kommende ein, man konzentriert sich auf das, was kommen wird und hält ein wenig Zwiesprache mit dem eigenen Körper, um ihn zu fragen, wie es ihm heute geht und mit welchen Befindlichkeiten er gerade zu tun hat, die eventuell im weiteren Verlauf der Aufmerksamkeit bedürfen.

Danach kümmert man sich auch in einer Yoga-Stunde um die Bereitstellung der notwendigen Energie: Prana. Mit entsprechenden Übungen (Pranayama) legt man den Fokus auf die Atmung, um die Energie bereitzustellen und zu erhöhen. Nur mit genügend Energie, Sauerstoff und Versorgung des Körpers mit diesen Bestandteilen ist ein konzentriertes und sinnvolles Absolvieren der nächsten Schritte möglich. Dieser Schritt entspricht der Ressourcenbereitstellung für ein Projekt.

Ist man so auf das Kommende eingestellt, bereitet man den Körper vor, erwärmt ihn. Auch im Yoga weiß man, dass viele Asanas sehr komplex sind und hohe Anforderungen an die Wahrnehmung, die Koordination und das Gleichgewicht stellen. Um derart komplexe Aufgaben bewältigen zu können, bedarf es der Vorbereitung. So kennt man das auch aus der Projektarbeit. Projekte sind komplex, stellen hohe Anforderungen, man kann sich nicht ohne Vorbereitung in diese stürzen. Zunächst stellt man das Team zusammen, bespricht, wägt ab, bereitet vor.

Asanas – das Projekt

Erst danach geht es an die eigentlichen Übungen, also die Projektarbeit im übertragenen Sinne
Je nach Projekt/ Thema der Yogastunde stehen andere Ziele/Ergebnisse im Vordergrund. Mit dem richtigen Team (im übertragenen Sinne das Zusammenspiel aus Atmung, Ruhe, Muskelkraft, Körperbewusstsein und Flexibilität) bringt man das Projekt zum Erfolg. Der Vergleich zeigt auch, dass in einem Team mehrere unterschiedliche Persönlichkeiten vonnöten sind, denn nicht alles lässt sich mit den gleichen Charaktereigenschaften bewältigen.

Der große Unterschied

Jeder Vergleich hinkt und so hat auch der Vergleich einer Yoga-Stunde mit der Projektarbeit im Unternehmen bestimmt mehr als einen Haken. Das ist in Ordnung. Was allerdings so gar nicht zusammenpasst, ist der letzte Programmpunkt einer Yoga-Stunde mit dem üblichen Vorgehen nach Projekten.
Eine Yoga-Stunde wird mit der Tiefenentspannung abgeschlossen. Diese ist nicht ohne die Anstrengung vorher möglich und stellt zudem einen runden Abschluss für Körper und Geist dar.
Wie sieht das allerdings mit Projekten aus? In vielen Bereichen zählt allein das Ergebnis. Ist das Projekt (erfolgreich) abgeschlossen, so ist der Sache Genüge getan. In den seltensten Fällen nimmt sich das Projektteam am Ende Zeit für die Tiefenentspannung, für das ruhige Revue passieren lassen der vorangegangenen Phase. Urlaub, ein paar freie Tage oder das gemeinsame Abschlussessen mit dem Team sind hier nicht gemeint, vielmehr ein protokollfreies Abschlussmeeting, welches Ruhe und Gelassenheit (gleich wie der Ausgang des Projektes war) offeriert.

Keine Entspannung ohne Anstrengung

Die Wünsche einiger Personen lassen sich allerdings doch wieder vergleichen: Viele Menschen wollen Tiefenentspannung ohne Anspannung und Arbeit im Vorfeld. Viele Menschen möchten gute Projekte ohne viel Aufwand aber mit tollen Ergebnissen.

Yoga oder Projektarbeit? Wichtig ist immer eine runde Choreographie, so wie eine gute Geschichte nicht nur einen attraktiven Anfang, sondern auch ein passendes Ende benötigt.





Donnerstag, 10. Oktober 2019

Wer bin ich und wenn ja, wie divers?




In Ordnung. Dann werden wir die Toilettenschilder im Studio nochmals verändern. Künftig wird es nicht mehr die Beschriftung „Sporty Men“ und „Sporty Women“ geben, sondern ganz langweilig „Toilette“ und „Privat“. Wobei „Privat“ auch allen Personen offensteht, die unser Studio besuchen.

An dieser Stelle ärgere ich mich gerade, dass wir so ganz ohne Vertragsbindung arbeiten. Hätten wir Verträge, dann hätten wir auch Mitglieder und hier gibt es – soweit ich weiß – keine Mitglieder und Mitgliederinnen, oder doch? Wobei sich hier die Frage stellt, ob allein das Wort „Mit Glied (er)“ vielleicht in Zukunft gar nicht mehr benutzt werden darf, weil es per se ja schon geschlechtsdiskriminierend ist?

Komplizierte Toilettenbeschriftung

Zurück zur Toilettenbeschriftung: Es war den Menschen, die in unser Studio kamen bisher auch herzlich egal, was auf der Toilette stand, Hauptsache sie ist sauber. Benutzt wurde die Toilette, die gerade frei ist, so einfach war das. (Und so wird es hoffentlich auch in Zukunft bleiben. Für die Sauberkeit sorge ich, für den unkomplizierten Umgang die Personen, die zu uns ins Studio kommen.)

Wir bieten Sportkurse für Menschen an! Nicht für Tiere, nicht für Aliens – für Menschen. Tatsächlich stellt das manche interessierte Person vor ein Dilemma. Bei einem Telefonat vor ein paar Wochen fragte eine Person (das ist neutral oder? Also Person ist m/w/d?), ob wir reine Frauenkurse hätten? Ich verneinte. Sie stellte die Frage erneut, als ob sie der Meinung wäre, man/frau/divers hätte sie nicht richtig verstanden. Wieder war die Antwort gleichlautend: Wir würden Sportkurse für Menschen anbieten. Sie (die Person) entgegnete darauf, dass sie sich aber wohler fühlen würde, wenn es nur Frauen wären. Ich entgegnete darauf, dass sie dann generell ein Problem haben würde, denn Pilates (um diesen Kurs ging es ihr (der Person)) würde ein männlicher Trainer unterrichten (hier darf ich das Geschlecht nennen, denn es handelt sich um meinen Mann, er ist – soweit ich das weiß und beurteilen kann – männlich. ABER: Darf ich überhaupt „mein Mann“ sagen, oder ist das zu besitzergreifend? Muss es in Zukunft vielleicht heißen: Die Person, die für sich selbst die Geschlechtsbezeichnung „männlich“ bevorzugt und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit mir lebt?).

Herr, Frau oder Du?

In meiner Tätigkeit als Trainerin/ Beraterin und Coach für Rebel-Management-Training leite ich auch Seminare. Hier muss ich die anwesenden Personen ab und an sogar ansprechen. Ich habe mich hier bisher immer vor einer „Du-Pflicht“ gedrückt, also die Personen, die anwesend waren auch mit „Herr“ oder „Frau“ angesprochen. In Zukunft werde ich zum französischen „Du“ übergehen: Vorname plus „Sie“. So ist jedem gedient. Kein „Frau“, kein „Herr“ und dennoch das „Sie“, welches für mich nie für „Distanz“ sondern für „Höflichkeit und Respekt“ stand und stehen wird.

Führungskräftinnen, Mitgliederinnen, Vorgesetzinnen?

Selbstverständlichkeiten setzen Selbstverständnis voraus. Je mehr man auf etwas pocht, es in den Vordergrund stellen muss, sich auf diesen Punkt bezieht, desto eher wird der Umgang damit „verkrampft“. Das war schon mit der gendergerechten Sprache (Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Mitglieder und Mitgliederinnen, Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Vorgesetzte und Vorgesetztinnen, Führungskräfte und Führungskräftinnen) so, das ist es auch mit dem Wort divers.
Ein Mensch, der sich selbst versteht, versteht es auch, das Bild von sich zu entwerfen, welches die Gesellschaft wahrnehmen soll. Meistens. Und wenn nicht, dann muss man damit auch umgehen können.

Gedemütigt und diskriminiert

Ich darf das sagen, denn ich bin in den letzten 23 Jahren so oft auf meine „Kurze Haarpracht“ angesprochen worden, so oft als Transvestit betitelt worden, so oft für lesbisch gehalten worden (da hilft es auch nichts zu erklären, dass man glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat), so oft als Mann bezeichnet worden, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als das mit Humor zu nehmen.
Zugegeben: Das gelingt mir nicht immer. Es gibt genug Situationen, wo es schmerzt, wo es weh tut, wo ich mich gekränkt und vielleicht auch ein wenig gedemütigt fühle, aber es deswegen habe ich immer noch nicht das Recht von der Gesellschaft eine komplette Umwandlung zu verlangen. Es waren einzelne Individuen, die nicht anwesend waren, als Anstand, Respekt, Wertschätzung und Taktgefühl durchgenommen wurde, nicht die Gesellschaft an sich.

Herzlich Willkommen

Bei uns sind Menschen herzlich willkommen. Wer sich nicht mehr menschlich benimmt, ist auch nicht willkommen. Tiere mögen wir auch, die haben nur leider im Studio keinen Zutritt.

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Zeigt her Eure Füße…


zeigt her Eure Schuh.“ So heißt es in einem bekannten (oder mittlerweile weniger bekannten) Kinderlied. Zuerst die Füße, dann die Schuhe.

Vernachlässigung


Obwohl unsere Füße eine im wahrsten Sinne des Wortes „tragende Rolle“ spielen, vernachlässigen wir diese gern. Es gibt nicht wenige Menschen, die ihre eigenen Füße nicht mögen, ja nicht einmal anfassen wollen. Sie finden diese nicht schön oder sogar eklig.

Wohl sind uns die positiven Auswirkungen einer Fußreflexzonenmassage bekannt, man gönnt sich vielleicht sogar eine professionelle Pediküre oder lässt Fische an den eigenen Füßen herumknabbern, aber so richtig respektieren kann man die Fundamente der Säulen unserer aufrechten (und aufrichtigen ?) Haltung nicht.

Kapitalverbrecher


Es muss reichen, wenn man alle 3 Monate die Fische ranlässt, oder sogar einmal pro Monat zur Pediküre geht. Für den Rest der Zeit sperren wir unsere Füße wie Delinquenten eines Kapitalverbrechens ein. Freigang bekommen die Füße vielleicht mal im Urlaub, am Strand, im Sand.

Wir stehen auf und ziehen Hausschuhe an. Wir machen Sport und tragen Joggingschuhe. Wir gehen zur Arbeit und tragen Businessschuhe und manche Menschen tragen sogar im Bett Socken. Luft, Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten bekommen unsere Füße so gut wie nie.

„Nee, das ist ja eklig. Ich mag meine Füße nicht, die sind ungepflegt. Da bekomme ich immer ganz schnell kalte Füße. Etc. etc. etc.“
Wir kümmern uns um unser Gesicht. Wir wissen, dass gepflegte Hände wie eine Visitenkarte angesehen werden. Wir ärgern uns über einen Pickel auf der Stirn oder Pigmentflecken auf dem Dekolleté. Denjenigen, die uns durchs Leben tragen, zollen wir weder Aufmerksamkeit noch Respekt, beschämt verstecken wir sie fast unser Leben lang.

Wissenschaftlich erwiesen


Dabei hat Barfußlaufen so viele Vorteile: Erst wenn wir unsere Füße von den Schuhen befreien, kann und muss die Muskulatur dieser und auch der Waden richtig arbeiten. Wir trainieren. Barfuß läuft man anders und federt dadurch Aufprallkräfte ab, die sich schädlich auf die Wirbelsäule auswirken können. Prof. Dr. Astrid Zech (Sportwissenschaftlerin der Uni Jena) führt an, dass es zunehmend Hinweise gäbe, dass das Barfußlaufen die Laufökonomie verbessern würde. Sie sagt auch, dass man an den Füßen von Barfußläufern sehen würde, dass die Füße breiter und das Fußgewölbe höher seien.

Auch ich musste als Kind Einlagen tragen (und habe diese gehasst). Plattfüße, so die Diagnose. Habe ich heute nicht mehr. Alles, was bei uns im Studio passiert, passiert barfuß. Egal ob im Yoga oder Pilates, bei Pole oder Hoop, im Stretching oder Personal Training. Wir sind ein Barfuß-Studio. Zu Beginn einer Teilnehmer*innen-Trainer*innen-Beziehung führt dies häufig zu Irritationen, aber schon nach kurzer Zeit merken unsere teilnehmenden Personen die positiven Auswirkungen: Rückenschmerzen nehmen, ebenso wie Hallux-Beschwerden ab. Die Füße sind nicht mehr so oft kalt.

Heute ist wissenschaftlich erwiesen, dass bereits Kinder vom Barfuß-Laufen profitieren, weil es ihre motorische Entwicklung fördert (Prof. Dr. Astrid Zech, Sportwissenschaftlerin der Uni Jena). 

Sturzprophylaxe und einfaches Workout


Im medizinischen Fitnesstraining wird beispielsweise auch für Osteoporose-Patienten die Balancefähigkeit trainiert (um Stürze vermeiden zu können). Und was ist elementar für die Balancefähigkeit? Füße, die sich entfalten können dürfen.

Weniger Rückenschmerzen, eine gesündere Fußmuskulatur, die eigene Aktivierung der Fußreflexzonen, seltener kalte Füße und vielleicht sogar ein verbessertes Verhältnis zu den eigenen Füßen, die jeden Tag so viel für uns tun, nur, weil wir ihnen erlauben, sich frei zu entfalten? Ja, manchmal kann es tatsächlich einfach sein.