Donnerstag, 16. Juli 2020

Baden und Duschen – eine etwas andere Betrachtung des Zeitmanagements


 

Duschen und Baden haben beide den gleichen Zweck: Reinigung und Körperpflege. Duschen ist ressourcenschonender (geringerer Wasser- und Zeitverbrauch). Im Zuge von „Geiz ist geil“ und „schneller ist besser“ liegt der Rückschluss nahe, dass Duschen besser als Baden ist.

Punkt. Alle Liebhaber eines genüsslichen Bads werden darüber semierfreut sein, weil ein Genussmoment genommen wird. Verschwenderisch mit Zeit und Ressourcen im Allgemeinen umzugehen, kann sich heutzutage kaum mehr eine Person leisten, manchmal ist es aber wichtig, zu wissen, wann Baden nicht nur genuss- sondern sogar sinnvoll sein kann, überträgt man diese metaphorische Sichtweise auf andere Bereiche unseres Lebens.

 

Leistung

Heutzutage wollen wir große Ziele oftmals schnell erreichen. Wer wenig Zeit braucht, ist automatisch gut. Wenig Fahrstunden, Lehrzeitverkürzung, das Überspringen von Schulklassen, eine kurze Studiendauer. Leistung.

Sagt doch schon die Formel: Leistung ist Arbeit durch Zeit! Da sich diese Formel auf die mechanische Leistung bezieht, wir aber doch auch menschlich und nicht immer mechanisch handeln sollten, kann man diese Formel eben auch nur bedingt auf das menschliche Miteinander, auf das sportliche Training, auf die Teamarbeit und auf künstlerische Aktivitäten wie Tanz übertragen.

 

Schnell und effektiv – aber nicht immer effizient und ressourcenschonend

Das menschliche Miteinander und Genussmomente für jede beteiligte Person bleiben bei einer rein mechanischen Betrachtung auf der Strecke. Und Zeit ist nicht immer die einzige Ressource, die geschont werden sollte. Betrachten wir uns ein paar Beispiele aus dem Akrobatiktraining an der Pole und im Hoop. Vielen teilnehmenden Personen ist es wichtig, möglichst schnell die Welt auf den Kopf stellen zu können, sprich zu Invertieren, um kopfüber am Trainingsgerät zu hängen. Das soll schnell erreicht werden und die Bewegung an sich wird dann meist auch schnell ausgeführt: Es wird gerissen, gesprungen und mit viel (unkontrolliertem) Schwung gearbeitet. Der Erfolg scheint einem Recht zu geben. Man ist ja oben. Gemäß der oben erwähnten Formel hat man auch alles richtig gemacht. Langfristig schadet man aber bei zu hoher Geschwindigkeit und falscher Technik dem Körper und schädigt seine Ressourcen.

 

Manche Augenblicke verlangen Dramaturgie

Ein Essen bei Freunden, ein gutes Buch, ein Theaterstück, ein romantischer Abend. Kunst an sich. Zeit spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Man kommt nicht zur Essenseinladung, setzt sich sofort an den Tisch und geht wieder, sobald man den letzten Bissen verschlungen hat. Man möchte bei einem Krimi nicht auf Seite zwei wissen, wer der Täter/die Täterin war, einen Theaterabend will man ebenso auskosten wie einen Museumsbesuch und über Romantik unter Zeitdruck brauchen wir gar nicht zu reden.

 

Im Training

Gute Haltung und korrekte Ausführung der Übungen sind im Training wichtig. Beim Yoga, im Pilates, im Pole – und Hooptraining, beim Stretching, im Tanztraining. Die Korrektur und das Überprüfen der Grundhaltung benötigt Zeit. Zeit, die vor allem auch die Schönheit des Moments, der Ausführung positiv beeinflusst. Jede Teilbewegung sollte geschätzt und zelebriert, nicht als nur notwendiges Übel angesehen werden. Nimmt man sich die Zeit, führt die Bewegungen kontrolliert und konzentriert aus und genießt dabei jeden Augenblick (oder lässt es zumindest so aussehen), so kann man auch besser überprüfen, ob man an alles gedacht hat. Stürzt man sich stattdessen mit der hektischen Fokussierung der Endfigur in die Ausführung derselben, so sieht es meist so aus, als ob man auf der Flucht wäre und man vergisst wichtige Aspekte.

 

Im sozialen Miteinander

Small-Talk. Der Inbegriff des Zeitstehlens, gehen wir nach der obigen Formel durchs soziale Miteinander. Streichen wir jeden Small-Talk so merken wir, was übrigbleibt: Kälte. Natürlich sind die Grenzen zwischen Geschwätz und Small-Talk schwimmend und werden von Person zu Person unterschiedlich gesetzt, aber auch diese Zeit des Redens, in der keine wesentlichen Informationen ausgetauscht werden, hat ihre Berechtigung.

 

Im Team

Ebenso sieht es bei Zielvereinbarungsgesprächen und Teammeetings aus. Es ist nicht schön, wenn der/die Vorgesetzte ewig um den heißen Brei herumredet und die Spannung ins Unendliche steigt, weil Spannung hier nervenzerreißend werden kann und es mitunter höflicher wäre, die Eingangsfloskeln kurz zu halten, um dann zügig zum Kernthema voranzuschreiten. Doch lässt man alles weg, was nicht direkt dem Informationsaustausch dient, so fehlt auch hier ein Faktor, der uns das Arbeiten im Team angenehm macht.

 

Beides hat seine Berechtigung

Ein Kuchen ohne Glasur, ein Tanz durch den man durchhetzt, ein Museumsbesuch im Schnelldurchlauf. Keine schöne Vorstellung. Mit künstlich in die Länge gezogenen Augenblicken hat das nichts zu tun. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigung und manchmal ist es sogar Geschmackssache, was besser ist, denkt man nur an das Entfernen eines Pflasters. Schnell oder sanft?

 

 

Manchmal ist es eine Kunst, sich in der heutigen Zeit, Zeit zu nehmen.

Donnerstag, 9. Juli 2020

Werden oder sein – Beispiel Disziplin

Diszipliniert sein oder diszipliniert werden? – Das ist hier die Frage. Ersteres gilt fast schon als Tugend, als Aushängeschild für einen Plan, den man verfolgt, als Hinweis auf Biss und Durchsetzungsvermögen. Letzteres verbinden wir mit Strafen und Sanktionierungen, mit Erziehungsmaßnahmen und sehen es als Aberkennung unserer Freiheit. Kann man die beiden Sichtweisen einfach so trennen, nur weil ein Verb anders ist?


Disziplin und Spontaneität
Diese beiden Charaktereigenschaften scheinen nicht so gut miteinander zu harmonieren. Disziplin verfolgt einen Plan, sieht einen Ablauf vor, geht nach einem Schema vor, lebt zum Teil von der Wiederholung. Spontaneität setzt auf Freiheit, auf unbeschwerte Verhaltensweisen, skizziert ein Bild der Leichtigkeit des Seins, bricht aus der Routine aus.


Berufs- und Privatleben
Auf den ersten Blick wünschen wir uns im beruflichen Umfeld disziplinierte Menschen, egal ob wir dies aus der Sicht einer Führungskraft tun, die diese Eigenschaft bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sehen möchte oder aus der Sicht eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin, die sich auch auf die Führungskraft verlassen können möchte.

Im Privatleben denken wir bei disziplinierten Menschen häufig an spaßreduzierte Personen. Das muss aber nicht sein. Disziplin hat nichts mit Humorlosigkeit zu tun, ganz im Ernst ;-)


Und dann war da noch die Fremdbestimmtheit
Es kommt auch immer darauf an, von wem die Disziplin ausgeht. Legen wir uns selbst die Regeln auf, die wir befolgen wollen, haben wir einen Plan und weichen von diesem nicht ab, auch wenn es manchmal schwer wird, dann gilt dies als anerkennenswert.

Werden wir diszipliniert, so bäumen wir uns häufig auf.

Gegen rote Ampeln, gegen Masken, gegen Korrekturen, gegen Kritik, gegen Maßnahmen, gegen Steuern, gegen Obrigkeiten, gegen.to be continued.


Disziplin und Souveränität
Es kann allerdings auch ein Zeichen von Souveränität sein, Dinge diszipliniert zu verfolgen, die wir uns selbst nicht ausgesucht haben. Zähneputzen beispielsweise.

Kein Kind sucht sich Zähneputzen freiwillig aus. Bis ein Kind hier diszipliniert ist, muss es häufig ermahnt, zu Disziplin angehalten werden. Irgendwann wird aus der auferlegten Disziplin Routine und dann sind 2x3 Minuten am Tag auch keinen Kampf mehr wert, weil es andere Dinge gibt, auf die man die Energie viel besser verwenden kann.


Training, Coaching, Gesellschaft
Im sportlichen Training schreibt uns der Trainer zunächst vor, was wir tun sollen. Je exakter wir es ausführen und je länger wir dabeibleiben, umso eher werden wir mit Erfolgen belohnt. Auch im Coaching legt ein Trainer/Coach den Finger in die Wunde und zeigt uns neue, ungewohnte Wege auf, die uns anfangs belasten, stressen, viel von uns abverlangen. Bleiben wir auch hier dabei, so werden wir (auch hier die Qualität des Trainers vorausgesetzt), Veränderungen bemerken, es wird besser werden.

Allein in der Gesellschaft scheint das so eine Sache zu sein mit der Disziplin.

Man muss als Mitglied einer Gemeinschaft nicht alles gut finden, was man zu Wohle der Gemeinschaft tun sollte/ tun muss, aber man sollte sich auch überlegen, ob der Zahnputzkrieg der Kleinkind-Trotzphase hier wirklich weitergeführt werden muss.


Konkrete Beispiele zum Abschluss
Die neuen Hygieneauflagen haben für uns alle Veränderungen mit sich gebracht. Die Maske nicht vergessen, die Hände desinfizieren.

In den meisten Fällen läuft es gut, aber in vielen Fällen eben auch nicht.

In unserem Sportstudio machen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen so toll mit, dass es schon zur Routine geworden ist. Matten werden desinfiziert, Masken werden getragen und dürfen am Trainingsplatz abgesetzt werden. Jeder macht mit und ich habe das Gefühl, es macht (trotzdem) Spaß.

Gut, manchmal muss man auch hier erwachsene Menschen „disziplinieren“, die die Regeln „vergessen“. Als Studioinhaberin bin ich aber dafür verantwortlich, dass diese Regeln eingehalten werden und daran hängt auch die (weitere) Möglichkeit unter Einhaltung der Hygieneregeln geöffnet haben zu dürfen. Weil mir das wichtig ist, muss ich erwachsene Menschen auf diese Regeln manchmal hinweisen: „Eintritt bitte nur mit Maske!“ – „Bitte die Hände desinfizieren“.


Disziplin muss nicht immer Spaß machen
Das macht keinen Spaß, es erfordert halt nur Disziplin – auf beiden Seiten.

Ich glaube nicht, dass es auch nur einer Person wirklich Spaß macht, eine Maske zu tragen. Ich beneide auch die Personen nicht, die jeden Tag mehrere Stunden damit durchhalten müssen, das möchte ich an dieser Stelle betonen.

Wenn ich allerdings sehe, wie ein Speiselokal mit großer Terrasse von Gästen überrannt wird, die zu 80% KEINE Maske dabeihaben (obwohl sie diese doch nur zum Eintreten aufsetzen sollten), dann fühle ich mich an den Zahnputzkrieg erinnert.

Es ist kein Aushängeschild von sinnvoller Revolution, sich an diese kleinen Disziplinarmaßnahmen nicht zu halten, sondern eine Respektlosigkeit. Ich mag die Masken auch nicht, ich bin froh, wenn ich keine tragen muss und ob sie wirklich in irgendeiner Weise hilfreich sind, wer weiß? Aber es könnte doch sein, also dann halte ich mich eben dran.

Bin ich jetzt diszipliniert oder werde ich diszipliniert? Das ist hier die Frage.