Duschen und Baden haben beide den gleichen Zweck: Reinigung und Körperpflege. Duschen ist ressourcenschonender (geringerer Wasser- und Zeitverbrauch). Im Zuge von „Geiz ist geil“ und „schneller ist besser“ liegt der Rückschluss nahe, dass Duschen besser als Baden ist.
Punkt. Alle Liebhaber eines genüsslichen Bads werden darüber semierfreut sein, weil ein Genussmoment genommen wird. Verschwenderisch mit Zeit und Ressourcen im Allgemeinen umzugehen, kann sich heutzutage kaum mehr eine Person leisten, manchmal ist es aber wichtig, zu wissen, wann Baden nicht nur genuss- sondern sogar sinnvoll sein kann, überträgt man diese metaphorische Sichtweise auf andere Bereiche unseres Lebens.
Leistung
Heutzutage wollen wir große Ziele oftmals schnell erreichen. Wer wenig Zeit braucht, ist automatisch gut. Wenig Fahrstunden, Lehrzeitverkürzung, das Überspringen von Schulklassen, eine kurze Studiendauer. Leistung.
Sagt doch schon die Formel: Leistung ist Arbeit durch Zeit! Da sich diese Formel auf die mechanische Leistung bezieht, wir aber doch auch menschlich und nicht immer mechanisch handeln sollten, kann man diese Formel eben auch nur bedingt auf das menschliche Miteinander, auf das sportliche Training, auf die Teamarbeit und auf künstlerische Aktivitäten wie Tanz übertragen.
Schnell und effektiv – aber nicht immer effizient und ressourcenschonend
Das menschliche Miteinander und Genussmomente für jede beteiligte Person bleiben bei einer rein mechanischen Betrachtung auf der Strecke. Und Zeit ist nicht immer die einzige Ressource, die geschont werden sollte. Betrachten wir uns ein paar Beispiele aus dem Akrobatiktraining an der Pole und im Hoop. Vielen teilnehmenden Personen ist es wichtig, möglichst schnell die Welt auf den Kopf stellen zu können, sprich zu Invertieren, um kopfüber am Trainingsgerät zu hängen. Das soll schnell erreicht werden und die Bewegung an sich wird dann meist auch schnell ausgeführt: Es wird gerissen, gesprungen und mit viel (unkontrolliertem) Schwung gearbeitet. Der Erfolg scheint einem Recht zu geben. Man ist ja oben. Gemäß der oben erwähnten Formel hat man auch alles richtig gemacht. Langfristig schadet man aber bei zu hoher Geschwindigkeit und falscher Technik dem Körper und schädigt seine Ressourcen.
Manche Augenblicke verlangen Dramaturgie
Ein Essen bei Freunden, ein gutes Buch, ein Theaterstück, ein romantischer Abend. Kunst an sich. Zeit spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Man kommt nicht zur Essenseinladung, setzt sich sofort an den Tisch und geht wieder, sobald man den letzten Bissen verschlungen hat. Man möchte bei einem Krimi nicht auf Seite zwei wissen, wer der Täter/die Täterin war, einen Theaterabend will man ebenso auskosten wie einen Museumsbesuch und über Romantik unter Zeitdruck brauchen wir gar nicht zu reden.
Im Training
Gute Haltung und korrekte Ausführung der Übungen sind im Training wichtig. Beim Yoga, im Pilates, im Pole – und Hooptraining, beim Stretching, im Tanztraining. Die Korrektur und das Überprüfen der Grundhaltung benötigt Zeit. Zeit, die vor allem auch die Schönheit des Moments, der Ausführung positiv beeinflusst. Jede Teilbewegung sollte geschätzt und zelebriert, nicht als nur notwendiges Übel angesehen werden. Nimmt man sich die Zeit, führt die Bewegungen kontrolliert und konzentriert aus und genießt dabei jeden Augenblick (oder lässt es zumindest so aussehen), so kann man auch besser überprüfen, ob man an alles gedacht hat. Stürzt man sich stattdessen mit der hektischen Fokussierung der Endfigur in die Ausführung derselben, so sieht es meist so aus, als ob man auf der Flucht wäre und man vergisst wichtige Aspekte.
Im sozialen Miteinander
Small-Talk. Der Inbegriff des Zeitstehlens, gehen wir nach der obigen Formel durchs soziale Miteinander. Streichen wir jeden Small-Talk so merken wir, was übrigbleibt: Kälte. Natürlich sind die Grenzen zwischen Geschwätz und Small-Talk schwimmend und werden von Person zu Person unterschiedlich gesetzt, aber auch diese Zeit des Redens, in der keine wesentlichen Informationen ausgetauscht werden, hat ihre Berechtigung.
Im Team
Ebenso sieht es bei Zielvereinbarungsgesprächen und Teammeetings aus. Es ist nicht schön, wenn der/die Vorgesetzte ewig um den heißen Brei herumredet und die Spannung ins Unendliche steigt, weil Spannung hier nervenzerreißend werden kann und es mitunter höflicher wäre, die Eingangsfloskeln kurz zu halten, um dann zügig zum Kernthema voranzuschreiten. Doch lässt man alles weg, was nicht direkt dem Informationsaustausch dient, so fehlt auch hier ein Faktor, der uns das Arbeiten im Team angenehm macht.
Beides hat seine Berechtigung
Ein Kuchen ohne Glasur, ein Tanz durch den man durchhetzt, ein Museumsbesuch im Schnelldurchlauf. Keine schöne Vorstellung. Mit künstlich in die Länge gezogenen Augenblicken hat das nichts zu tun. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigung und manchmal ist es sogar Geschmackssache, was besser ist, denkt man nur an das Entfernen eines Pflasters. Schnell oder sanft?
Manchmal ist es eine Kunst, sich in der heutigen Zeit, Zeit zu nehmen.
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