Donnerstag, 20. August 2020

Sonderveranstaltungen und Alltag

 

 

Als Trainer kommt man des Öfteren in den Genuss, in andere Studios eingeladen zu werden, um einen bzw. mehrere Workshops zu leiten. Auch bei Tagesseminaren und Abendvorträgen muss man sich darüber im Klaren sein, dass man die teilnehmenden Personen in ganz besonderen Stimmungen erreicht. Der Transfer in den Alltag (der Arbeit bzw. der täglichen Trainingsroutine) ist ein extrem wichtiger Bestandteil, der zum einen nicht vergessen werden darf und zum anderen aber auch das eigene Standing zerstören kann. Will man gehyped werden oder will man den Personen etwas mitgeben, was Ihnen auch morgen noch hilft? Diese Frage muss man sich dabei permanent stellen.

 

Erwartungshaltung

Besondere Anlässe sind nicht mit dem Alltag vergleichbar. Soweit so gut. Als Trainer, der die heimischen Gefilde verlässt, um eine Schulung, einen Workshop oder einen Vortrag zu geben/zu halten, erreicht man die teilnehmenden Personen immer in einer besonderen Stimmung. Diese kann von positiven Gefühlen und Vorfreude bestimmt sein (Auftritte, Sportworkshops in anderen Studios) oder auch von einer weniger guten Grundstimmung (Fortbildungen und Seminare). Wie die Stimmung ist, erfährt man, wenn man vor Ort ist.

Bei Sportworkshops zu denen man eingeladen wird, hat man meist das Glück, dass alle anwesenden Personen in Vorfreude vereint sind. Sie haben sich selbst entschlossen, teilzunehmen und sie sind motiviert. In Fortbildungen und Seminaren kann das unter Umständen anders sein, wenn die teilnehmenden Personen von der Ebene der Vorgesetzten geschickt werden, wenig Lust haben und den Sinn der Veranstaltung nicht verstehen.

 

Nähe und Abstand in perfekter Melange

Fakt ist, als Trainer habe ich diese besondere Gruppe von Menschen für eine sehr begrenzte Zeit um mich. In dieser sehr begrenzten Zeit muss ich es schaffen, ihre Erwartungen zu erfüllen, Vorurteile auszuräumen, für die Personen da zu sein und alles zu geben.

Kein leichter Job.
Abendvorträge mit Rahmenprogramm, Showauftritte und sportliche Workshops gehören meist zu den Anlässen, die bei allen Beteiligten ein gewisses Hochgefühl aufkommen lassen. Gegenseitige Wertschätzung durchzieht den Raum, die Personen zeigen Interesse, sie genießen die Veranstaltung, kommen mit einer guten Stimmung.

Schnell begegnet man sich mit aufgeschlossener Freundlichkeit und Humor. Man lacht miteinander und die teilnehmenden Personen projizieren die guten Gefühle auf den Trainer.

Das macht Spaß und pusht das Ego und die Stimmung und es gehört zum Job, diese Rolle zu bedienen.

Auch in Seminaren und Fortbildungen erlebt man schnell, sobald die ersten Blockaden fallen, dass die teilnehmenden Personen in vollem Vertrauen um Rat bitten, Dinge aus dem beruflichen Alltag erzählen, sich öffnen und ihren tiefen Empfindungen Raum geben.

Das geht, weil alle Beteiligten wissen, dass diese „von 0 auf 100 Nähe“ auf eine gewisse Zeit begrenzt ist, dass man selbst wieder geht, aber auch, dass der Trainer wieder gehen wird.

 

Sonderrolle

Ein Trainer, der somit nur eine gewisse Zeit im Unternehmen verbringt wird immer eine Sonderrolle haben. Diese Sonderrolle kann man genießen und das Beste für sich selbst herausholen, oder aber es gelingt einem, den teilnehmenden Personen viel mitzugeben, was sie auch morgen und übermorgen noch nutzen können, was sie wirklich weiterbringt.

Im Idealfall bedient man beide Teile der Erwartungsmedaille. Motivationstrainer im Reinklischee habe ich für mich persönlich schon immer abgelehnt. Meist hatte ich das Gefühl, sie feiern sich eigentlich nur selbst. Morgen steht man als Teilnehmer aber immer noch mit den gleichen Problemen da und ein „Tschaka, ich schaffe das!“ bringt einen irgendwie auch nicht weiter.

 

Transfer in den Arbeitsalltag

In Seminaren, Vorträgen etc. wird somit auch oft im Feedbackbogen gefragt, ob man als teilnehmende Person meint, die Dinge in den Arbeitsalltag umsetzen zu können. Diese Frage ist gut, aber verfrüht gestellt. In der Sonderstimmung, in der man sich am Ende einer Veranstaltung befindet, kann man das noch gar nicht sagen.

Ob der Trainer wirklich was „drauf hatte“, wird sich erst später herausstellen, wenn er schon wieder weg ist.

 

Alltag und die Mixtur der Stimmungen

Und hier können die Stimmungen aufeinandertreffen und ebenso gleichermaßen auseinanderdriften. Wir alle haben schon einmal erlebt, wie es ist, wenn man aufgekratzt nach Hause kommt und der Partner oder die Partnerin schon im „Snooze-Modus“ war. Irgendwie prallen dann die Stimmungen aufeinander und der ruhige Part fühlt sich leicht gestresst von der Aufgekratztheit des anderen, umgekehrt hat man das Gefühl, die gute Stimmung würde gelöscht wie ein Feuer.

 

Zielsetzung

Ziel eines guten Trainers muss es sein, etwas mitzugeben, was auch morgen noch weiterhilft, womit der (zahlende) Teilnehmer auch morgen noch etwas anfangen kann. Das kann manchmal bedeuten, dass die Teilnehmer im Seminar/in der Veranstaltung vielleicht sogar nicht alles bekommen, was sie erwarten. Das kann manchmal bedeuten, dass die Erwartungen nicht komplett erfüllt werden.

Nein, man stimmt eben nicht in das Lästern über den Vorgesetzten mit ein, sondern schiebg hier einen Riegel vors. Es kann auch bedeuten, dass man nicht die wildeste Flexi-Figur zeigt, weil man weiß, dass sich die teilnehmenden Personen dann morgen nicht mehr rühren können, oder sich Verletzungen zuziehen, die sich eventuell erst am nächsten Tag zeigen.

Es könnte einem egal sein, denn für die gute Stimmung der Momentaufnahme wäre es besser, sich so zu verhalten, dass die Erwartungen alle erfüllt werden. Es ist aber auch eine Frage der Loyalität, des Anstands und der Verantwortung, an morgen zu denken, auch wenn man die Menschen morgen vielleicht gar nicht mehr sieht.

 

Donnerstag, 13. August 2020

An mir lag es nicht!

Im Training offeriere ich gerne folgende Ausreden: Wenn etwas nicht klappen sollte, dann ist daran natürlich wahlweise die Stange/das Trainingsgerät an sich, das Wetter, das zu anstrengende Warm-Up vorher oder generell der Trainer Schuld. Wir quittieren diese bereits zu Beginn ausgebreitete Auswahl an Ausflüchten gerne mit einem gemeinsamen Schmunzeln. Es ist zum einen wirklich sinnvoll, sich nicht dauernd selbst niederzumachen, wenn etwas nicht klappt, zum anderen übertreiben wir damit das, was Menschen im Allgemeinen gerne tun: Den Grund für eine Situation nicht bei sich zu suchen.

 

Wahrscheinlichkeitsrechnungen

Ein einfacher emotionsloser Vergleich zu Beginn. Ein – zugegeben etwas seltsamer – Test offeriert 140 Antwortmöglichkeiten. Alle Antworten sind richtig. Man muss 20 wählen, um die volle Punktzahl zu erreichen. Man selbst beschließt, nur 17 zu wählen und besteht den Test nicht.

„Selbst schuld!“, würde jeder Mensch hier sagen. So sind wir aber nun mal nicht gestrickt.

Es ist mühsam und kratzt am Ego, den Grund für ein suboptimales Ergebnis bei sich selbst zu suchen. Immerhin müsste man dann auch mit den Konsequenzen zurechtkommen. Entweder müsste man für das nächste Mal etwas ändern (bäh, anstrengend!) oder aber damit leben, dass man es selbst „versemmelt“ hat (bäh, doof!).

Es ist viel einfacher, Gründe überall zu suchen, nur nicht bei sich. So sind wir nun mal, es ist hilfreich, das anzuerkennen.

 

Der Tritt in den Allerwertesten

Für das eigene Ego und den Wohlfühlfaktor in der gleichnamigen Zone ist es gut, Dinge zu tun, die das eigene Ego streicheln oder zumindest nicht in Frage stellen. Auch das ist normal. So lange man damit zufrieden ist und es keinerlei Beschwerden gibt, reicht das aus und ist auch vollkommen in Ordnung. Stellen sich Beschwerden ein, muss man etwas ändern. Menschen ändern sich aber nicht so gerne. Andere vielleicht schon, Umstände auch, aber nicht sich selbst (siehe oben genannten Anstrengung).

Beschwerden können dabei durchaus doppeldeutig verstanden werden: Unzufriedenheit im Job, Langweile in der Freizeit, Frustration in der Beziehung oder körperliche Beschwerden aufgrund zu geringer sportlicher Betätigung. Wie sich der Umstand, dass „etwas“ nicht mehr passt, äußert, ist dabei zweitrangig.

 

Trainer kennen das: Es gibt Übungen die liegen einem und es gibt Übungen, die liegen einem weniger. Es gibt die „eine“ Seite und es gibt die „andere“ Seite. Somit ist die Versuchung groß, nur das zu zeigen, was man bestens beherrscht und die anderen Dinge einfach „zu lassen“. Zur Untermauerung der eigenen Rolle (kompetent, sportlich, stark, kräftig, perfekt) scheint dieses Vorgehen nicht nur legitim, sondern auch erfolgsversprechend und nachvollziehbar zu sein.

 

Dinge zu tun, in denen man NICHT perfekt ist, miteinander zu trainieren und anzuleiten, selbst wenn man dabei nicht immer in die Meisterrolle schlüpfen kann und auch immer wieder die „andere“ Seite zu zeigen, erfordert einen gedanklichen Tritt in den Allerwertesten. Immer und immer wieder.

 

Training der Fairness

Das ist Training. Übst du noch, oder trainierst Du schon?

Und nein, das macht nicht immer Spaß und ja, es ist immer anstrengend, aber hinterher belohnt einen das Gefühl, wieder einmal eine (kleine) Grenze überschritten und somit den eigenen Horizont erweitert zu haben.

 

Dieses Vorgehen ist fair. Hart, aber fair. Sich selbst gegenüber, aber auch den Mitmenschen gegenüber, denn ein Bild zu skizzieren, durch welches man sich selbst überhöht, während man die Mitmenschen als defizitär dastehen lässt, entspricht einfach nicht der Wahrheit.

 

„Wer nur das tut, was er schon kann, wird immer bleiben, was er schon ist.“ (Henry Ford)
Kein Problem, so lange sich – siehe oben – keine Beschwerden einstellen.

 

Alles Negative zurücklassen

Am Ende sollte das gute Gefühl bleiben. Kein Training, keine Fortbildung, keine Verhandlung und kein Meeting verlaufen immer zu 100% toll. Es gibt immer etwas, was man kritisieren und bemängeln kann. Die Dosis macht das Gift und der Fokus den Sonnenschein.

Wer das Hauptaugenmerk auf das legt, was nicht gut gelaufen ist und sich ausschließlich auf diese Punkte fokussiert, der wird nie zufrieden werden. Wer zusammenfasst, was gut und was weniger gut gelaufen ist, wer ein Ziel vor Augen hat und wer bereit ist, an den richtigen Stellen die Änderungsmöglichkeiten bei sich selbst zu suchen, der wird gestärkt werden. Und auch das gilt für jede Art von Training, ob nun Personalentwicklung oder Sport.

 

Ein liebgewonnenes Ritual am Ende

Und so nehmen wir zum Abschluss jeder Kursstunde gedanklich das Positive mit, schieben das Negative von uns und schütteln das ab, was noch an uns klebt, uns aber nicht weiterbringt.