Liederlich. Billig.
Sexistisch. Anrüchig. Schmutziger Sport.
All diese Dinge dürfen sich Polesportler*innen immer noch anhören.
Hauptargument: Die Kleidung ist so knapp.
So knapp wie manche Hosen im Beachvolleyball und Beachhandball sein MÜSSEN,
wenn die Spielerinnen die Regeln befolgen wollen, sind die Höschen der
Polesportler*innen nicht. Aber das tut nichts zur Sache. Das Urteil ist schon
vorher gefallen.
In Zeiten teils sinnlos erscheinender Diskussionen über das Gendern aller
möglichen und unmöglichen Worte finde ich es bemerkenswert, dass sich sehr wohl
Personen darüber Gedanken machen können, ob es „der Stuhl“ oder „die Stuhlin“
heißen sollte, sich aber nicht darüber beschweren, wenn Frauen Strafen bekommen,
weil ihre Kleidung zu VIEL bedeckt hat.
Disclaimer
Normalerweise
kommen diese Erklärungen immer am Ende eines Artikels, hier zu Anfang. Es geht
mir nicht darum, eine Sportart höher/besser zu bewerten als eine andere. Es
geht mir nicht darum, den tausendsten Versuch anzustellen, den Polesport in das
gewünschte Licht zu rücken, und es geht mir nicht darum, dass ich
Beachvolleyball oder Beachhandball mag oder nicht mag. Punkt.
(Update 06.08.2021: Ich muss einen weiteren Disclaimer einfügen: Nein, ich
finde die Regenbogenbewegung NICHT schlecht. JA, ich bin absolut dafür, dass
man Menschen jeglicher Coleur (darf ich das jetzt noch sagen?) achtet und
respektiert. NEIN, ich habe kein Problem mit Regenbögen…)
Argumentative
Grundlage
Beachvolleyball,
Beachhandball wird im Freien gespielt. Das Wort „Beach“ legt die Assoziation
mit Wärme, Strand, Sommer und warmen Temperaturen nahe. Insofern ist es gut
möglich, dass knappe Kleidung hier angenehm sein kann. Für die Ausübung der
Sportart ist knappe Kleidung allerdings nicht zwingend notwendig. Beim Polesport
offeriert nackte Haut Grip. Wo die Haut in Berührung mit der Pole (Stange)
kommt, da kann man Grip aufbauen. Kleidung aus handelsüblichen Materialien
(alles außer Lack und Latex) rutscht an der Stange. Der Sport ist so nicht
auszuführen. Wäre ungefähr so, wie wenn man Barrenturner*innen sagen würde, sie
sollen Samthandschuhe tragen.
Was also bei der
einen Sportart eine Kann-Option darstellt, ist bei der anderen Sportart
obligatorisch.
Gab es noch bis vor
Kurzem Vorschriften, die eine maximale Breite an der Seite des Höschens von 7cm
für die Sportlerinnen erlaubten, so wurde dies mittlerweile angepasst (https://www.faz.net/aktuell/sport/olympia/olympia-regelecke-die-bikini-revolution-11836296.html). Es steht den Sportlerinnen frei, auch in
T-Shirt und kurzer Legging die Wettkämpfe zu bestreiten. Die Hosen müssen dabei
3cm über dem Knie enden.
Gut. Es gibt nun
allem Anschein nach mehr Wahlfreiheiten und die Mannschaften können selbst
entscheiden, wie sie auftreten wollen, was für sie am stimmigsten ist.
Die verfrorenen
Norwegerinnen
Irgendwie scheint
das aber nicht für alle Turniere zu gelten. Bei der EM in Bulgarien hatte sich
das Team der norwegischen Beach-Handballerinnen dazu entschieden, in Shorts zu
spielen. Man fühle sich in kurzen Slips sexualisiert und unwohl. Den
Spielerinnen war klar, dass dies offiziell nicht erlaubt ist, und dass es zu
einer Strafe kommen könnte.
Kurz festgehalten: Eine Strafe, weil Frauen zu VIEL Kleidung tragen und zu VIEL
der nackten Haut verstecken – nicht umgekehrt.
Beachhandball ist
dabei allerdings um 3cm weniger sexualisiert als Beachvolleyball. Der Dresscode
für Turniere verlangt von Frauen, ein Top und eine Bikini-Hose zu tragen.
Männer dürfen Hosen tragen, die 10cm über dem Knie enden, dabei dürfen sie
nicht zu „lässig“ geschnitten sein (um Einblicke zu vermeiden? Oder damit
nichts in der Gegend baumelt?).
„Spielerinnen
müssen Bikinihosen tragen, diese müssen körperbetont geschnitten sein und einen
hohen Beinausschnitt haben. Die Seitenbreite darf höchstens 10cm betragen.“
(https://www.stern.de/sport/beachhandball-frauen-wollen-in-shorts-spielen---verband-besteht-auf-knappe-slips-30621848.html)
Einschaltquoten
Sind Männer
generell unansehnlicher als Frauen? Dürfen Männer auch ein Top und ein
Bikinihöschen tragen? Dürfen Männer oben ohne spielen und wenn, ja, warum und
wenn nein, warum nicht? Sollte es doch nur um Einschaltquoten gehen? Werden
hier Frauen instrumentalisiert? Schaut das Publikum auf den Spielverlauf oder
auf wippende Dekolletés und auf die in den Pofalten verschwindenden Hosen?
Fragen über Fragen.
Pink ist keine
Farbe, Pink ist ein Statement
Nie war dieser Satz
so treffend. Die Pop-Sängerin Pink hatte über Twitter angeboten, die Geldstrafe
für das norwegische Team von 1500,00€ zu
übernehmen. Zu dieser Strafe wurde das norwegische Team verdonnert, weil sich
die Frauen dazu entschieden hatten, zu viel Kleidung zu tragen.
Der norwegische
Verband wird die Strafe nun gemäß den Regularien selbst zahlen. Der Empfänger
des Strafgelds, der europäische Handballverband EHF, hat sich im „Gegenzug“
dazu bereiterklärt, die gleiche Summe an eine internationale Sportstiftung zu
spenden, die sich für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Sport
einsetzt.
https://www.stern.de/sport/sportwelt/pink-zahlt-nun-doch-nicht-geldstrafe--beachhandballerinnen-haben-eine-bessere-idee-30635476.html
Wenn die Hosen
Regenbogenfarben haben
Sind die Gemüter
nun besänftigt? Sollte man das als „diplomatische Lösung“ sehen? In Zeiten, in
denen keine Einzelfarben (schwarz, weiß) nur noch der gesamte Regenbogen mehr
erlaubt zu sein scheinen, kann es sein, dass man Sportlerinnen bestraft, weil
sie sich erdreistet haben, sich anzuziehen?
Wo bleibt hier der
„Aufschrei“? Ich höre ihn nicht.
Wahrscheinlich
hätte ich die Diskussion nicht einmal wirklich mitbekommen, wenn ich nicht
aufgrund des Wissens, wie es ist wegen Kleidung schief angeguckt zu werden (ich
will das Wort „diskriminiert“ bewusst nicht verwenden), getriggert gewesen
wäre.
GMV-Faktor
Wo bleibt der
GMV-Faktor? GMV? Gesunder Menschenverstand.
Ganz einfach:
„Gesund“ gibt es nicht mehr, nur noch „getestet“, „geimpft“ oder „genesen“.
Menschen gibt es auch nicht mehr, nur noch Wesen. Und wenn der Verstand keinen
Ankergrund mehr findet, dann kann er sich auch nicht mehr breitmachen. Logisch
eigentlich.