Donnerstag, 28. Januar 2021

Zweierlei Maß

 

Die Dinge so zu betrachten, wie sie am günstigsten sind, ist ein normales Vorgehen. Eine Sachlage so darzustellen, dass man selbst dabei am besten wegkommt, ist per se auch nicht verwerflich. Schwieriger wird es dann schon, wenn man anderen das abspricht, was man für sich in Anspruch nimmt. Einen seltsamen Beigeschmack bekommen diese Situationen aber vor allem dann, wenn ein und dasselbe Argument zuerst für einen selbst und dann gegen jemand anderen spricht.

 

Die Gesamtsituation betrachten

Wichtig bleibt, nicht nur einen Mosaikstein, sondern möglichst das Gesamtbild im Auge zu behalten. Das ist nicht immer ganz einfach und allein schafft man das auch selten, weswegen sich gute Berater*innen und Teamarbeit doch meist bewährt haben.

Konkret wundere ich mich im Moment über die Argumentationslinie hinsichtlich der Impfungen gegen COVID 19.
Als es zunächst hieß, dass das Virus vor allem für ältere Personen mit Vorerkrankungen gefährlich wäre und man deswegen auch keine „Panik“ schieben müsste, da die Wahrscheinlichkeit dieser Personengruppe zu sterben sowieso höher läge, da war der Aufschrei der Moralisten groß. Natürlich ist jedes Leben gleich viel wert und es steht uns nicht zu, zu messen, zu bemessen und zu richten.

Als dann die ersten (zu erwartenden) Nebenwirkungen der Impfung bei just exakt genau dieser Personengruppe eintraten, die zum Teil zum Tode führten, da wurde genau die gleiche Argumentation herangezogen.

 

Aus dem deutschenÄrtzeblatt

 

Die norwegische Gesundheitsbehörde hat ihre Anweisungen zur Impfung älterer, gebrechlicher Menschen gegen COVID-19 geändert. Bei dieser Bevölkerungsgruppe könnten die üblichen Nebenwirkungen der Impfung zu schweren Verläufen führen, wie die Auswertung von Todesfällen kurz nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gezeigt habe.

In Norwegen sind bis dato 23 Menschen kurz nach der ersten COVID-19-Impfdosis verstorben. Dabei handelte es sich vorwiegend um ältere Menschen mit schweren Grunderkrankungen. (…) Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass übliche Nebenwirkungen der Impfung zu schwerwiegenden Reaktionen bei den meist schwer kranken, älteren Personen geführt haben könnten. (…) Sie (die üblichen Nebenwirkungen) könnten zu dem tödlichen Verlauf bei einigen gebrechlichen Patienten beigetragen haben, heißt es in der Mitteilung.

In die Zulassungsstudien zu Comirnaty von Biontech und Pfizer waren keine Patienten mit instabiler oder akuter Erkrankung eingeschlossen worden – und nur wenige Teilnehmer über 85 Jahren.

Bei einer Impfung von Alten und Pflegebedürftigen mit schweren Grunderkrankungen seien aber Todesfälle kurz nach der Impfung zu erwarten (…).“


 

Hätte man auch nur einen Teil dieser Argumente noch vor ein paar Wochen auf die Positivliste der Gründe gesetzt, die eine Veränderung der getroffenen Maßnahmen rechtfertigen, man wäre mindestens verbal gesteinigt worden.

 

Schlecht reden oder objektiv sein

Eine Person, die ich sehr schätze, reagierte auf meine Konfrontation mit diesen Zahlen mit der Aussage, dass sie sehr froh wäre, dass es jetzt endlich eine Impfung gäbe und sie bestimmt beim „Schlechtreden“ dieser nicht mitmachen würde.

 

Auch das ist an sich eine gute Einstellung. Man kann an allen Dingen Gutes und Schlechtes sehen und finden. Meist lebt man glücklicher, wenn man das Positive fokussiert.

 

Objektiv muss man allerdings sehen, dass der Kreis der Personen, die als besonders vulnerable Gruppe gilt, am wenigsten von der Impfung hat bzw. hier die größten Risiken eingeht.

Zudem stimmt es mich nachdenklich, dass dieser Personenkreis allem Anschein nach bei den Vorabtestungen nicht berücksichtigt wurde.

 

Du musst aber dann schon

Dieses Verhalten findet sich an vielen Stellen. Konsequenz scheint für viele entweder zu anstrengend oder Auslegungssache zu sein.

Zwei Tage war ich in einem Netzwerk, welches sich auf die Fahne geschrieben hatte, gemeinsam mehr bewirken zu wollen. Ein Netzwerk von Unternehmern, die alle mehr oder weniger gleich stark betroffen sind von der jetzigen Situation. Sich zu verbünden, um gemeinsam etwas (mehr) bewirken zu können, das ist eine gute Sache.

Gemeinhin ist hier allerdings auch die souveräne Öffentlichkeitswirksamkeit notwendig.

Nun, die Gruppe war privat, also von der Öffentlichkeit gar nicht zu sehen.

Auch noch verständlich, wenn man sich bereits im Vorfeld in sozialen Medien von Personen mit rechter Gesinnung oder anderen Personen, die nicht so ganz in die Gruppe passen könnten, absondern möchte.

Nach dem Beitritt zur Gruppe stellte ich allerdings fest, dass hier „nichts los“ ist. Alle dort zu findenden Informationen kannte ich schon, Austausch Fehlanzeige.

Am zweiten Tag wurde ich dann darauf aufmerksam gemacht, dass ich bitte der Telegram-Gruppe beitreten müsse, wenn ich alle Informationen bekommen wolle.

Das möchte ich aus verschiedenen Gründen nicht und äußerte das auch so. Die Antwort war, dass ich dann halt auch nicht alle Informationen bekommen könnte, wenn ich nicht zu Telegram kommen wolle.

Ich bin aus der Gruppe wieder ausgetreten. Für mich persönlich war auch das ein Messen mit zweierlei Maß. Öffentlichkeitswirksamkeit ohne Öffentlichkeit? Etwas bewegen mit geringer Aktivität? Zugang zu relevanten Informationen nur, wenn man bereit ist, sich weiteren/anderen Gruppen in anderen Kanälen anzuschließen. Gefällt mir einfach nicht.

 

Zweierlei Maß auch bei Kontakten

Sicherlich gibt es Menschen, denen die geltenden Regeln immer noch an einer bestimmten Körperstelle vorbeigehen. Ich glaube allerdings, dass es nicht die Mehrheit ist. Reiner Glauben, belegen kann ich es nicht.

Doch selbst hier, wird die Argumentation so gedreht und gewendet, wie es einem zu passen scheint. Aussage 1: Der Rückgang der Grippeerkrankungen im Jahr 2020 sei darauf zurückzuführen, dass man AHA-Regeln hätte, die weitgehendst befolgt würden. Aussage 2: Der Anstieg der Corona-positiv-Getesteten sei darauf zurückzuführen, dass sich zu wenige an die AHA-Regeln halten würden.

Äh?

Forderung an die Bevölkerung: Home-Office wo immer es möglich ist, zur Not auch als Pflicht. Kontakte einschränken, soweit möglich, zur Not aus als Pflicht.

Vorleben der Vorbilder: Präsenzsitzungen und gemeinsame Mittag-Essen.

 

Vertrauensverlust als logische Konsequenz

Es ist doch nun wirklich nicht verwunderlich, dass man dann den Glauben und das Vertrauen verliert, oder?

 

Wer daran glaubt, dass die Regeln notwendig sind, dass die Maßnahmen eingehalten werden müssen und dass wir das alle nur gemeinsam schaffen können, der sollte sich auch als Teil der Gemeinschaft verstehen und verhalten. Auf allen Seiten.

Der Bevölkerung wird vorgeworfen, immer nach „Schlupflöchern“ zu suchen und dieses Verhalten dient als Grundlage für immer noch weiter gehende Maßnahmen. Die Schlupflöcher, die von anderen im Verhalten und in der Argumentation missbraucht werden, dürfen aber auch betrachtet werden, oder?

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