Donnerstag, 18. Juni 2020

Spotting oder kein Spotting – das ist hier die Frage?



Man kann nicht immer machen, was man will. Das Leben ist kein Ponyhof und man kann nicht überall seinen Willen durchsetzen. Schon klar. In vielen Dingen nur vernünftig. Wenn man sich allerdings zu lange entgegen der eigenen Überzeugungen verhält, so macht einen das krank – mich zumindest. Warum ich mich nach ein paar Kursen im Polebereich/Hoop-Bereich unter gegebenen Auflagen entschlossen habe, wieder Hilfestellung zu geben – Corona-Regeln hin oder her, das will ich gerne erklären.

 

Gefahren vermeiden

Als verantwortungsvolle Person hat man in einer Gesellschaft keine Gefahr für andere darzustellen. Für sich selbst sollte man auch keine Gefahr darstellen, aber das erledigt der Eigenschutzmechanismus des Kopfes/Körpers meist von alleine.

 

Gefahr durch Nähe

Seit ein paar Monaten nun wird uns eingebläut, dass wir durch unsere Existenz und die Nähe zu Anderen bereits eine Gefahr darstellen können, die sich potenziert und vergrößert, je länger wir dem Anderen auf die Pelle rücken. Also vermeiden wir Nähe. Wir vermeiden Berührungen. Wir vermeiden Begrüßungen und Verabschiedungen mit Körperkontakt, wir betrachten uns als permanente Virenschleudern, auch wenn wir gar nicht krank sind.

 

Neue Umgangsformen

Im beruflichen Umfeld bedeutet das, dass wir Kunden und Klienten nicht mehr formvollendet begrüßen und Höflichkeitsregeln zugunsten der Gefahrenvermeidung ad acta gelegt werden. Es bedeutet aber auch, die Pflichten des eigenen Berufsbildes zu vernachlässigen, zum Wohle aller und zur Vermeidung einer unsichtbaren Gefahr. Das ist für uns alle etwas befremdlich, denn man entfernt und entfremdet sich.

 

Seltsame Auswirkungen

Als Trainerin habe ich einen Beruf gewählt, der mit der Übernahme von Verantwortung einhergeht. Personen kommen in unser Studio, weil sie sich wohl und sicher fühlen wollen, weil sie darauf vertrauen, dass der Trainer ein sicheres Umfeld aufbaut und dafür geradesteht. Darauf haben sie einen Anspruch.

Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese Erwartungen erfüllt werden können. Das tue ich gerne, das tue ich immer, dafür arbeite und lebe ich.

 

Verschobene Prioritäten

Wenn allerdings Sicherheit bedeutet, dass der Verbrauch von Desinfektionsmittel ins Unermessliche steigt, einem permanent der klinische Geruch in der Nase liegt und der Grad an Sicherheit mit der Frequenz des Abwischens von Lichtschaltern und Türgriffen einhergeht, mir allerdings gleichzeitig untersagt wird, meine Teilnehmer in schwierigen akrobatischen Figuren zu sichern, dann läuft irgend etwas schief.

 

Geraderücken

Und deswegen ist es an der Zeit, sich über Regeln hinwegzusetzen. Mit sofortiger Wirkung werde ich in den Kursen wieder Hilfestellung geben und sichern. Bei geplanten „Korrekturrunden“ werde ich eine Maske trage, sollte ich allerdings sehen, dass sich ein Teilnehmer in Gefahr bringt, so werde ich auch ohne Maske sofort zu Hilfe eilen, um erkennbare Schäden abzuwenden.

 

Gegen die eigene Einstellung

In den vergangenen Wochen habe ich gegen meine innere Einstellung gearbeitet. Ich habe als Trainer auf sichernde Nähe verzichtet, nur um Teilnehmer nicht in Gefahr zu bringen und sie genau damit vielleicht in Gefahr gebracht. Das Sichern, die Hilfestellung, die Präsenz eines Trainers sind wichtig. Es kann nicht sein, dass ich als Trainer – übertrieben gesprochen – sehe, wie sich ein Teilnehmer in akute Gefahr begibt (weil er droht den Halt zu verlieren, weil er eine Technik nicht richtig ausführt) und ich dies sehenden Auges wahrnehme ohne einzuschreiten, aus Angst, meine Nähe könnte den Teilnehmer krank machen.

Donnerstag, 11. Juni 2020

Der Move ist der Mühe nicht wert



Dieses Zitat stammt von einer Teilnehmerin, die sich im Training immer genau das zu erwartende Ergebnis ansah, sich also ein Bild vom fertigen Trick/der fertigen Figur machte, um dann den Aufwand, den dieser Trick erfordern könnte, mit den Mühen dorthin zu gelangen, zu vergleichen. War die Figur nicht schön/eindrucksvoll genug, quittierte sie dies mit oben genanntem Satz. Bei der Senkung der MwSt. geht es mir im Moment ähnlich, nur dass ich hier nicht selbst entscheiden darf, ob ich mitgehe oder nicht.

 

Mehr Gewinn

Für ein halbes Jahr wird die MwSt. um 3 bzw. um 2 Prozentpunkte gesenkt. Hey, 2-3% mehr Gewinn! Das hilft den gebeutelten Unternehmen unheimlich auf die Sprünge. Damit ist das Jahr gerettet. Ein tolles Signal und ein absolutes Entgegenkommen. Vielen herzlichen Dank.

So oder ähnlich sollten die Unternehmer wahrscheinlich reagieren, doch die Realität sieht anders aus.

Weil Unternehmer grundsätzlich unzufrieden sind? Weil Unternehmer grundsätzlich ungern Steuern zahlen?

Nein, weil hier etwas angestoßen wird, dem man sich nicht entziehen kann, dessen Rattenschwanz man aber versuchen muss, einzufangen.

 

Erwartungen der Kunden

Kaum, dass die Senkung der MwSt. beschlossen war, hört und liest man in den Medien, dass sich dies auf die Preise auswirken solle, dass Endverbraucher nun mit niedrigeren Preisen rechnen können. Alles wird billiger. Konsum frei! So geht’s der Wirtschaft (wieder) gut.

Durch diese Berichterstattungen werden berechtigte Wünsche und Erwartungen in Kunden und Endverbrauchern geschürt, die ein Dienstleister/Unternehmer erfüllen soll.

Dankeschön!

 

Realität

Was die Senkung der MwSt. im betrieblichen Alltag eines kleinen Unternehmens bedeutet, möchte ich hier an einigen Beispielen konkret darstellen.

Wir bieten in unserem Sportstudio unter anderem 6wöchige Kurse an, aber auch Punktekarten. Wir arbeiten ohne Vertragsbindung, was sich im Moment erneut als Vorteil herausstellt, da wir keine bestehenden Abos verändern müssen.

Eine 20 Punkte-Karte kostet inkl. MwSt. 150,00. Ein Kurs im Durchschnitt 125,00 (für 6 Wochen).

Das bedeutet, dass wir pro Kunde umgerechnet auf 6 Wochen bzw. maximal ein halbes Jahr (so lange gilt eine 20-Punkte-Karte) ca. 0,70mehr GEWINN haben. Macht also ca. 0,47pro Monat pro Kunde mehr.

 

Rechtfertigungsposition

Der Kunde erwartet, dass die Preise gesenkt werden. Würde ich die Preise um 50 Cent senken, würde sich der Kunde ein wenig „vergackeiert“ vorkommen. Senke ich die Preise nicht, so stehe ich als Unternehmer als raffgierig da.

Wie ich es also als Unternehmer anfange, ich werde es falsch machen.

 

Der Rattenschwanz

Was auf alle Fälle zu tun ist: Rechnungsvorlagen ändern, mit Kunden in klärende Gespräche gehen, Preise anpassen oder eben nicht anpassen, die Webseite bearbeiten etc. etc. etc.

Wir arbeiten so altmodisch, dass wir unsere Rechnungsvorlagen noch selbst bearbeiten können. Andere Unternehmen dürfen/müssen darauf hoffen, dass ihr Programm die Änderungen rechtzeitig zur Verfügung stellt und dass die Kosten für ein Update so gering sind, dass sie den unheimlich großen Gewinnzuwachs nicht an sich sofort wieder zunichte machen.

Jeder Schritt an sich klein und zu vernachlässigen, aber getan werden muss er, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und jeder Schritt kostet Zeit. Zeit, die ich nicht doppelt habe und die ich nicht für das einsetzen kann, was vielleicht für beide beteiligten Seiten (Kunde und Unternehmer) sinnvoller und attraktiver wäre.

Und wenn ich alles vollzogen habe, dann habe ich für exakt ein ganzes halbes Jahr meine Ruhe, bevor ich Anfang 2021 wieder von vorne anfangen kann.

Leistungen, die sowohl im Zeitraum VOR der Änderung als auch im Zeitraum WÄHREND der Änderung in Anspruch genommen werden, unterliegen dann zwei Steuersätzen. Grundsätzlich müsste ich also jede Rechnung neu schreiben.

Nochmals: Vielen Dank. Ich wüsste wirklich nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll, wenn nicht derartige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen generiert würden. Mir wäre als Unternehmerin schlicht langweilig und ich darf mich wirklich nicht beschweren, denn ich verdiene ja Unmengen an Geld mehr und meine Gewinne steigen ins Unermessliche.

Von diesen Summen kann ich nicht mal das Desinfektionsmittel bezahlen, welches seit der Umsetzung der Auflagen in rauen Mengen verbraucht wird und jeden Bereich mit einem angenehm klinischen Geruch versieht.

Abgesehen davon, generiert der Staat damit eine tolle "double bind Situation", denn ich kann es als Unternehmer wieder nur falsch machen: Habe ich die Preise im Juli 2020 vielleicht wirklich gesenkt, wird eine erneute Erhöhung nicht auf viel Gegenliebe stoßen. Habe ich den riesigen Gewinn als Unternehmer einfach so in meine Tasche gesteckt, dann muss ich jetzt damit leben, wieder viel viel viel weniger Gewinn zu machen ( ;-))

 

Ohrfeigentrinkgeld

Als Jugendliche arbeitete ich nebenher als Bedienung. Das Trinkgeld war eine willkommene, wenn auch schwer zu berechnende „Gehaltserhöhung“.

Manchmal kam es vor, dass man große Gruppen zu bedienen hatte, die relativ lange saßen. Gezahlt wurde manchmal von einer Person. Ich kann mich noch an einige Male erinnern, als ich das Trinkgeld am liebsten gar nicht angenommen hätte, weil ich es als Affront verstand.

Bei Rechnungssummen von 139,80 wurde mit gönnerhafter Manier vom Kunden 140,00 auf den Tisch gelegt mit der Aussage: „Stimmt so!“

So ähnlich fühlt sich die Senkung der MwSt. an.
Was "die da oben" damit zeigen: Sie haben keine Ahnung vom unternehmerischen Alltag, es geht ihnen nicht darum, dass es einem Unternehmer besser geht, sie wollen gut dastehen und tun dies auf Kosten derer, die ihre Suppe auslöffeln dürfen. Ja, ich bin sauer!

 

Entschleunigung – Fehlanzeige!

Corona hat Einiges durcheinandergebracht. Aber es hat uns allen auch die Möglichkeit gegeben, den Blick auf das Wesentliche zu schärfen. Respekt und Anerkennung, Wertschätzung und Geduld walten zu lassen. Personen im Allgemeinen mit anderen Augen sehen zu können. Leitsätze geprägt durch „höher, schneller, weiter, billiger, mehr“ etwas in Frage zu stellen. Das fand ich gut.

Jetzt sind wir wieder genau da, wo wir vorher waren.

Donnerstag, 4. Juni 2020

Ressourcenmanagement – auf den Boden (der Tatsachen) zurückkehren



Ein Training wird meist dann als gut bewertet, wenn möglichst sofort mess- und sichtbare Erfolge und Fortschritte festzustellen sind. Ein wesentlicher Faktor ist und bleibt aber auch die Sicherheit. Jedes Training, welches den Trainierenden nicht vollkommen „zerstört“, sondern noch ein paar Reserven übrig lässt, ist gut. Dieser Gedanke hilft uns auch beim Umgang mit den mentalen Ressourcen, im Umgang mit Stress.

 

Stress kommt hinterher

Wir kennen alle den Umstand, dass sich die negativen Auswirkungen von Stress und Belastung gerade dann zu erkennen geben, wenn wir sie so gar nicht gebrauchen können. Sicher, negative Auswirkungen kann wünscht sie niemand zu irgendeinem Zeitpunkt, aber warum wird man häufig dann krank, wenn man „frei“ hat, oder verzieht sich den Rücken, wenn man doch im Urlaub entspannen könnte?

 

Der Körper leistet, der Kopf auch. Im Dauermodus arbeiten beide daran, den Anforderungen gerecht zu werden, bis endlich Ruhe einkehrt. Dann fordern Kopf und Körper ihren Tribut.

 

Obwohl wir das alle kennen, ist es unheimlich schwer, während einer Belastungszeit, in der Ausführung einer Übung an „später“ zu denken. (Ich kann es im Sport teilweise, im Umgang mit geistigen Ressourcen nur sehr bedingt).

 

Verbesserung kommt hinterher

So, wie beim Sport sinnvolle Regenerationsphasen einberechnet werden sollten, weil man weiß, dass die Verbesserung der Leistungsfähigkeit streng genommen nach dem Training hergestellt wird, nicht während des Trainings, so sollte man sich auch ab und zu Gedanken darüber machen, wo man im Alltag Regenerationsphasen einbauen kann, statt diese auf die lange Bank des Jahresurlaubs zu schieben.

 

Kraft berechnen

Im Training der Akrobatik gehen wir hier ziemlich pragmatisch vor. Wir berechnen nicht nur die Kraft, die wir benötigen, um eine bestimmte Figur ausführen zu können, diese aufzubauen und zu halten, sondern wir rechnen auch immer die Kraft für den „Rückweg“ ein.

Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Viele Personen sind gerade in der Anfangseuphorie so hochmotiviert, dass sie alles geben. Das ist per se sehr schön, aber manchmal auch hochgefährlich. Nicht selten kann es vorkommen, dass die Person nach einer erfolgreich gemeisterten Figur/ einem neuen Trick in luftigen Höhen feststellt, dass sie nun nicht mehr weiß, wie sie sicher auf den Boden zurückkehren soll, bzw. schlichtweg die Kraft fehlt.

 

Dann kann der Rückweg gefährlich werden. Beim Workout ist der Trainer als Hilfestellung vor Ort, er/sie ist darauf vorbereitet und begleitet den Teilnehmer sicher auf den Boden zurück.

Bei mentalen Herausforderungen fehlt uns manchmal die Kraftberechnung für den Rückweg, das Zurückhalten notwendiger Reserven und ein Coach.

 

Mentale Kraft berechnen

Der Kopf und der Körper können viel erreichen und aushalten. Sie gehen beide nicht so schnell kaputt, wie wir manchmal glauben, aber ein wenig Glutreserve sollte auch hier zurückgehalten werden, denn aus Asche kann man kein neues Feuer entfachen und Phönix sind wir selten.