Donnerstag, 14. Mai 2020

Was man oft vergisst


Jeder ist sich selbst der Nächste. Prinzipiell ist das nicht verwerflich, aber es stimmt so auch nicht immer ganz. Gerade in schweren Zeiten ist es wichtig, sich nicht in Selbstmitleid zu panieren. Stattdessen muss man sich öfter mal selbst in den Allerwertesten treten und die Perspektive für die öffnen, die aus ganz anderen Gründen an der Situation verzweifeln.

 

Das können die doch nicht machen

Auch hinter diesem „die“ stecken Menschen. Menschen, die Entscheidungen nicht leichtfertig treffen. Menschen, die sich Gedanken machen. Menschen, die Verordnungen nicht nur erstellen, sondern auch durchsetzen müssen. „Die“ ist keine gesichtslose Masse.
Wenn uns etwas nicht passt, wenn wir traurig, wütend oder sauer sind, so können wir nur schlecht auf eine Sache sauer sein. Das bedeutet, dass wir der Sache ein (oder mehrere) Gesichter geben (müssen). Sachlagen werden personalisiert und es kann sich ein richtiger Hass auf die Personen entwickeln, die eigentlich auch nur ihren Job machen.

 

Ich tu mir leid – ich tu mir so schön leid

Ich glaube, es handelt sich dabei um ein Fragment eines Songtextes von Eisbrecher. Manchmal muss man sich in (Selbstmit)Leid panieren, um den Schmerz und die Tiefe dessen, was es in uns auslöst auch ganz verstehen und begreifen zu können. Das ist notwendig und gehört meines Erachtens zur Bewältigungsarbeit dazu. Aber dann muss auch wieder Schluss sein.

Fast wie beim Fahrradfahren. Berg runter einfach laufen lassen, oder sogar noch selbst in die Pedale treten, aber nur, damit man auf der anderen Seite die Steigung wieder leichter schafft.

Man muss sich also selbst eine Deadline setzten, wann dann auch mal mit dem Gejammer Schluss ist.

 

Der Tritt in den Allerwertesten

Wir kennen das vom Training. Eine Zwangspause ist hart und am Anfang fehlt es uns wirklich und wir sehnen uns danach. Dann tut es nicht mehr ganz so weh und schließlich gewöhnt man sich daran und wird faul. Fallen, wie in den jetzigen Zeiten, die verbindlichen Termine weg, ist es noch schwerer, sich aufzuraffen. Großes Lob an alle Personen, die die sportliche Betätigung nicht vergessen oder vernachlässigen. Online-Kurse sind nicht jedermanns Sache, das soll hier auch gar nicht das Thema sein. Körperliche Betätigung hilft uns. Sie schützt uns. Sie hilft dabei Stresshormone abzubauen und unser Herz gesund zu halten. Stress haben wir alle im Moment mehr als genug (Achtung: Stress muss nicht immer gleichbedeutend sein mit einem Berg an Arbeit, er kann auch „nur“ im Kopf entstehen). Sorgen fressen sich in unser Herz und machen es schwer. Gerade in solchen Zeiten in denen es darum geht, Gesundheitsgefahren für viele zu bannen, schleichen sich andere Gefahren ein, die man zunächst so gar nicht erkennen würde.

 

Der Tritt in den Hintern bedeutet aber nicht nur, dass man sportlich und körperlich (wieder) aktiv wird/bleibt, sondern auch, dass es wichtig ist, die Perspektiven zu wechseln und echte Empathie dort walten zu lassen, wo es uns schwerfällt. Und so kommen wir wieder zu „denen“ vom Anfang zurück.

 

Ignoranz

Die sind schuld an
Das machen die absichtlich

Die Situation macht uns allen keinen Spaß. Niemand hat sich das ausgesucht und vieles ist nicht mehr nachvollziehbar und verständlich. Ohnmacht, Wut und Aggression steigen und irgendwo müssen diese Empfindungen hin. Das kann überlegt passieren oder in hilfloser Ohnmacht auch entarten.

 

Ich habe in den letzten Wochen viel Ignoranz erlebt. Ignoranz in der Form, dass ich einfach ignoriert wurde. Das ist überhaupt kein schönes Gefühl, wenn man sich dann eventuell auch noch im oben beschriebenen Selbstmitleid paniert.

Aber – und das ist viel wichtiger – ich habe auch viel Zuspruch erfahren, dort, wo ich ihn vielleicht nicht erwartet hätte. Ich habe sehr nette Antworten bekommen und habe erlebt, dass es durchaus Politiker und Politikerinnen, Verbandsvorsitzende und Mitarbeiter von Behörden gibt, die sich einsetzen, die sich kümmern, die einem mit Wertschätzung begegnen.

Dafür gebührt all diesen Personen Dank!

 

Hiob hat viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Viel häufiger ist es allerdings so, dass wir „die“ ja gar nicht erreichen, sondern viel eher die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden, von denen wir auch vorurteilsbehaftet denken, es würde sie nicht interessieren, sie wären langsam und hätten keine Ahnung von der „Welt da draußen“. Diese Personen bekommen dann unseren Unmut, unsere Ungeduld und unsere Sorgen, Ängste und Nöte ab, müssen unseren Frust erdulden.

Dabei machen sie nur ihren Job und haben dabei das Pech, dass sie eben greifbarer sind als andere.

 

Behörden halt

Auch diese Personen haben es sich nicht ausgesucht, jetzt mit Anträgen, Mehrarbeit, Fragen auf die niemand eine Antwort hat, bombardiert zu werden. Auch diese Personen sind nur begrenzt belastungsfähig. Auch diese Personen haben Mitgefühl und so gehen auch diesen Personen die Schicksale nach, auch wenn man daran zunächst gar nicht denken mag.

 

Natürlich denken wir an die vielen Menschen, die an „vorderster Front“ (ich mag den Begriff nicht, er klingt nach Krieg) ihre Arbeit verrichten, aber wir sollten auch die nicht vergessen, deren Tätigkeiten ebenso wichtig sind und die generell in unseren Augen im Moment sowieso mehr falsch als richtig machen. Das ist nicht fair. In vielen Situationen sind sie nur der Überbringer von Nachrichten und Anordnungen, die uns nicht gefallen!

Aber hey: „Don’t shoot the messenger”

 

In diesem Sinn auch Danke an diese Personen!

 

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