Freitag, 22. November 2019

Ganzheitliches Training - immer sinnvoll?


Ganz oder gar nicht! – Erst die Verstrebungen bringen die Kraft

Ein Song von Wolfgang Petry, eine Komödie über arbeitslose Stahlarbeiter, die eine Stripgruppe bilden, um ihre Stütze aufzubessern, eine Aussage über (scheinbare) Wahlmöglichkeiten, eine Ansage an die eigene Motivation und vieles mehr.

Ganzheitlichkeit – nur ein inflationär benutzter Begriff?

War es vor kurzem noch das Wort „Wertschätzung“ welches sinnbildlich für alles Gute im menschlichen und sozialen Miteinander steht und stand, so ist es heute die Ganzheitlichkeit. Ganzheitlich ist gut. Ganzheitlich verspricht Erfolg. Ganzheitlich ist intensiv.

Ganzheitlich bedeutet aber auch, alles wahrzunehmen und mit allem umzugehen. Mit den (scheinbaren) Defiziten und den vorhandenen Stärken, mit Deprivationen und Fülle.

Ganzheitliche Beratung

Ganzheitliche Beratung beispielsweise ist mehr als nur die Verordnung eines Medikaments oder einer Vorgehensweise, die Symptome bekämpft. Ganzheitliche Beratung ist nicht nur ein Ratschlag, sie geht tiefer. Ganz gleich in welchem Bereich. Ob es sich nun um einen ganzheitlichen Coachingansatz, oder um ganzheitliches (sportliches) Training handelt, hier wird von allen Beteiligten mehr als nur ein Teilbereich gefordert (und gefördert).

Nach einer klaren Ist-Stand-Analyse, die das Thema definiert, werden die vorhandenen Ressourcen betrachtet, eine Lösung gesucht, verglichen, ob die Lösung zur Person passt, die Strategie der Lösung individuell angepasst und danach gemeinsam umgesetzt. Das Gegenüber wird nicht allein gelassen.

In der Pädagogik beschreibt der ganzheitliche Ansatz analog das Einbeziehen der affektiv-emotionalen Aspekte neben den traditionell kognitiv-intellektuellen Aspekten. Lernen geht eben nicht nur im Kopf vonstatten.

Ein gesunder Ansatz?

Ganzheitlichkeit mit dem Ziel der vollkommenen Gesundheit?

"Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und 
sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen." (Definition WHO, 1946)


Geht nicht! Niemand fühlt sich vollständig wohl. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und Themen und Herausforderungen, die den Alltag mehr oder weniger mitbestimmen.
Es muss also allen Beteiligten klar sein, dass die Suche nach Ganzheitlichkeit dem Weg der Erleuchtung gleichkommen könnte: Langwierig, schwierig, herausfordernd und nur für wenige zu erreichen.

Na dann kann man es auch bleiben lassen, oder? Also lieber gar nicht als ganz?
Ein ganzheitlicher Ansatz, egal ob im Sport oder in der Beratung ist ein sinnvoller Weg. Angeblich sagte Antoine de Saint-Exupéry einmal:

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem Meer.“

So ist es im Sport, so ist es im Berufsalltag. Man kann Aufgaben verteilen, Übungen machen, Trainingspläne erstellen und wird damit auch Erfolg haben. Die Halbwertszeit ist allerdings kurz. Teams müssen (gefühlt) nach jeder erledigten Aufgabe neu angelernt werden, das Körpergefühl im sportlichen Training wird nur leidlich verbessert. Man tut zwar etwas, aber weiß eigentlich nicht warum und wozu, erwartet aber dennoch die erhofften Erfolge.

Was Ganzheitlichkeit verlangt

Ganzheitlichkeit wird in diesem Miteinander aus Trainer/Coach und Gegenüber (im Sport oder Berufsalltag) in aller erster Linie vom Trainer verlangt. Er/sie muss gewillt sein, sich ganz einzubringen. Und zu „ganz“ gehört hier eben auch die Psyche, die Persönlichkeit, der Charakter, die eigenen Emotionen, die eigenen Bedürfnisse, das Wissen um und die Handhabung der eigenen Stärken und Schwächen und die Offenheit.

So lange ein Trainer/Berater/Coach sich selbst nicht ganzheitlich einbringt, kann er dies auch nicht von seinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, von seinen Klienten und Klientinnen oder auch von seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verlangen.

Ganzheitlichkeit polarisiert

Wer sich als Dienstleister (in welchem Bereich auch immer) dermaßen einbringt, arbeitet ganzheitlich, was allerdings auch bedeutet, dass er oder sie ganzheitlich Energien nutzt und verbraucht.
Wer sich komplett offenbart und in seiner Tätigkeit aufgeht, lässt das Gegenüber an Überzeugungen, Emotionen und eigenen Werten teilhaben. Das wird polarisieren.
Eine Einstellung, die die eigene Tätigkeit als puren „Job“ bezeichnet, sieht das nicht vor.

Dementsprechend muss nicht nur das Gegenüber auf die Bedeutung der Ganzheitlichkeit vorbereitet werden, sondern der Dienstleister auch.

Ganzheitlichkeit kann nicht immer und überall und in jedem Bereich erreicht werden kann, noch ist diese überall sinnvoll.
Wenn man sich einen Dorn eingetreten hat, so möchte man eine kompetente Person, die diesen Störfaktor professionell und ohne Folgeschäden entfernt. Hier sucht man bestimmt nicht nach einem Menschen, der zunächst einmal grundsätzliche Fragen nach der Lebensgestaltung stellt, um herausfinden zu können, wie dieses „große Unglück“ überhaupt passieren konnte und welchen Anteil an diesem „Unfall“ die geschädigte Person selbst trägt.
So wird der Begriff der Ganzheitlichkeit in einigen Bereichen der Medizin auch verständlicherweise kritisch betrachtet bis abgelehnt.

Hohe Ziele

Im betrieblichen Gesundheitsmanagement hat man als Berater das Ziel, das Wohlbefinden der Teilnehmer und Teilnehmerinnen ganz allgemein und im beruflichen Umfeld zu verbessern. Als Trainer im sportlichen Bereich erwarten Kunden und Kundinnen (sichtbare) Erfolge durch die Inanspruchnahme der Dienstleistung. Der ganzheitliche Ansatz eines Beraters/Coachs verspricht mehr Ruhe, Gelassenheit, Selbstvertrauen und dadurch mehr Erfolg für das Gegenüber.

Grundsätzlich ist es gut, den Menschen mit all seinen Facetten zu betrachten. Die Psychosomatik tut dies schon lange, in dem sie körperliche Erscheinungen mit dem Denken und den psychischen Prozessen verbindet.

Der Prozess

Jede Person, die Ganzheitlichkeit verspricht/ vermitteln möchte/ erreichen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass damit ein Prozess angestoßen wird. Es ist kein Schalter, den man umlegt, sondern eine Entwicklung, die gemeinsam gestaltet wird.

Ist man dafür bereit? Möchte man Wege begleiten/gehen, auf denen Steine liegen werden, die Pausen verlangen, die nicht geradlinig sind?
Ganzheitlichkeit ist kein neues Feature oder ein neuer Fitnesstrend.

Es ist schön, wenn man als Sporttrainer den teilnehmenden Personen ein Verständnis für die gesamten Funktionsweisen mitgeben kann, wenn man ihnen hilft, Mechanismen zu erkennen, das Körpergefühl zu verbessern und mehr zu tun als „nur“ zu trainieren. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass das nicht von jeder Person gewünscht ist.

Im Betrieb, im betrieblichen Gesundheitsmanagement und in der Unternehmensberatung ist das ähnlich. Manchmal möchte man einfach nur Lösungen haben, ganz bewusst OHNE ein Tiefenverständnis für die Hintergründe.
Wer sich allerdings bewusst auf Ganzheitlichkeit einlässt, der stößt einen Prozess an, der mehr als nur erfolgsversprechend ist.

Es geht immer darum, Begriffe und die damit verbundenen (entstehenden) Ideologien kritisch und vernünftig zu betrachten. Ganzheitlichkeit gehört dazu.

Ganzheitlichkeit in Petto

Ein guter Trainer/ eine gute Trainerin sollte allerdings die Fähigkeit besitzen, ganzheitlich zu agieren. Ganz am Ende darf ich hier kurz auf die gewachsene Verbindung zwischen dem Sportbereich (CrazySports Augsburg) und der Unternehmensberatung (Rebel-Management-Training) eingehen.
Die beiden Bereiche waren schon „immer“ parallel zueinander vorhanden. Erst die Verstrebungen zwischen den beiden Bereichen ermöglichen Ganzheitlichkeit und machen aus den starken Parallelen Schienen, auf denen man metaphorisch den Weg zum Ziel zurücklegen kann. Dann kann aus einem steinigen Weg eine ruhige Fahrt wie auf Schienen werden.

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